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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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schon gelandet war, an schlimme Jungs verlor. Die eine schlief bei mir, aber nie mit mir. Sie hing einem trashigen Musiker nach, der in Hinterhofclubs ohne Klo auftrat, das Gesicht hinter einer Gasmaske verborgen, und selbstgebastelte Instrumente malträtierte. Er wusch sich nicht oder nur im Regen (»Wie Tolstoi!«, schwärmte sie), trank schwere klare Flüssigkeiten, warf zur Steigerung Pillen ein und bejammerte im düsteren Sprechgesang seine Herkunft aus der Hölle.
    Sie, die gebildete Bürgerstochter mit straffem Busen und rundem Hintern, mit der ich gern ein perfektes Paar abgegeben hätte, fand ihn zum Schmelzen süß und trug ihm all das Geld zu, das ihr ahnungsloser Vater zur Finanzierung des Studiums überwies. Weil der Trasher es versoff oder in Material für seine Schrottinstallationen steckte – »er ist ein echter Künstler« –, konnte er sich keine Bleibe leisten und schlief in kaputten Häusern. Gelegentlich begab sie sich zu ihm auf seine schimmelige Matratze, aber meist schlief sie im Trockenen, bei mir. Ich hoffte, sie irgendwann zu bekehren von ihrem fatalen Hang. Als sie nach anderthalb Jahren dazu bereit war, kam sie mir verbraucht vor.
    Die andere war eine blasse, dunkellockige Schönheit, herabgestiegen aus einem Scherenschnitt der Jugendstilzeit. Ihr Elternhaus war streng katholisch; sie selbst, someinte ich, ebenfalls. Zwei Jahre lang vermochte ich über eine Freundschaft nicht hinauszugelangen, weil sie fest verbunden war mit einem ebenso katholischen Bürgersohn aus den stillen Vororten mit den alten Alleen. Als ihre Eltern zu der Überzeugung gelangten, nun werde die Heirat bald angekündigt, verabschiedete er sich. Er brauche Zeit und wolle ins Ausland.
    Glücklich über diesen Tiefschlag, in Unschuld geduscht, stand ich ihr bei. Die Verzweiflung würde eine Weile anhalten, das musste ich in Rechnung stellen. Ich konnte nicht sofort in die Bresche springen. Vorerst musste es genügen, sie abzulenken. Ich führte sie zum Essen aus, ins Kino, in die Konzerte ihrer bevorzugten scheußlichen Bands, bemühte mich, ihren Geschmack nachzuempfinden, berührte sie höflich und ließ sie ansonsten in Ruhe. Ihre Eltern, bei denen sie in frommer Keuschheit noch wohnte, waren mir dankbar. Immerhin, dachte ich.
    Als die Eltern verreisten, schmolzen die Vorräte im Kühlschrank. In ihrer Trauer mochte sie nicht einkaufen. Also besorgte ich das Nötigste. Mehr noch. Im begeisterten Edelmut der Werbephase betrat ich wohlriechende Gourmetläden und wählte im Zweifelsfall den teuersten Wein der steilsten Lage, das handgepresste Öl aus der winzigsten Mühle, den in der abgelegensten Höhle gereiften Käse und folgte den Geheimtipps, die der erfreute Verkäufer mir zuraunte.
    Oft nippte sie nur an den Sachen. Schade drum, doch ich verstand es. Sie sah verweint und müde aus und schickte mich fort. Aus irgendeinem Grund schämte sie sich, vor meinen Augen zu essen. Ich hätte ihren Fingern und ihren Lippen gern zugesehen. Doch sie widmete sich den Köstlichkeitennur, wenn sie allein war. Es machte mich stolz, am folgenden Tag wieder einkaufen fahren zu dürfen.
    An einem Abend bezahlte sie in der Währung, die ich mir vorgestellt hatte. Na bitte! Es war richtig gewesen, dass ich durchgehalten hatte! Beharrlichkeit wurde belohnt! Sie ließ sich in den Arm nehmen. Sie ließ sich streicheln. Meine Hände durften ihre Hüften entlangfahren, den Rücken hinauf. Sie durften wie Paraglider mit sachter Bodenberührung das Hügelland ihrer Brüste durchstreifen. Waren nicht sogar durch den Pullover die festen Knospen zu spüren? Aber ja!
    Ich wagte, ihren Pullover langsam nach oben zu schieben. Sie ließ es geschehen und drehte sich grazil und selbstbefangen wie die Porzellanfigur auf einer Spieluhr. Also durfte ich ihn über ihren Kopf streifen? Sie tat nichts dagegen. Einem Kuss wich sie noch aus. Doch das T-Shirt ließ sie sich ausziehen. Sie wiegte sich, wendete sich, drehte sich; ich war ihr Spiegel. Und endlich stand sie nackt und duftend vor mir, eine zum Leben erweckte Marmorskulptur. Sie hob die Arme über ihren Kopf und ließ sich die Brüste küssen, und ich winselte dankbar, ein aus der Kälte ins Haus gelassener Hund.
    »Aber weiter dürfen wir nicht gehen«, sagte sie. »Warum?«, erschrak ich.
    Sie schüttelte still den Kopf. Die Zurückweisung war so charmant und melancholisch, dass ich sie für katholische Wohlerzogenheit hielt.
    »Und jetzt lass mich«, flüsterte sie und strich mir gütig über

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