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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Zeit.
    Mit der Nachhut, blubbernden Krads und einem Geländewagen mit grüner Flagge, eilten wir ins Dorf, in dem alle Häuser erleuchtet waren. Die Leute standen in Gruppen vor den Türen, alte Recken lockerten die schmerzhafte Grundstellung – der Konvoi war zu lang gewesen –, Familien mit Kindern plauderten, lachten. Genau das brauchten wir. Das Wirtshaus hatte geöffnet, weil ohnehin niemand schlafen konnte und diese außergewöhnliche Sehenswürdigkeit gefeiert werden musste; sonst kam nie jemand her.
    Ach, schäumendes Bier! Kühlender, sedierender, die Sinne trübender Alkohol! Wir gossen eilig zwei halbe Liter hinunter. Das beschwichtigte, das brachte Schwerkraft, schuf Nebel. Die Flüssigkeit löschte. Allmählich verglühte die flimmernde Angst. Das Bier ertränkte sie, wie eine Sintflut einen brennenden Wald bedecken würde; nur vereinzelte Kronen flackern weiter.
    Ein junges Mädchen, das einsam an einem Tisch gesessen und einen Brief geschrieben hatte, vielleicht noch Schülerin, setzte sich zu uns, freundlich: »Darf ich?«
    Sie versuchte, ein Gespräch anzuknüpfen: wo wir herseien, was wir hier täten. Es war eine Einladung zur Rückkehr in die Welt. Wir mussten uns anstrengen, normal zu er scheinen und richtig zu antworten. Aber dann konnten wir vom Missgeschick mit dem Wohnwagen erzählen und von der Not, die Nacht in der feuchten Kälte zu verbringen.
    »Der Wirt schließt gleich«, wusste das Mädchen. Mitternacht war schon vorüber. Sie bot an, die Wagentür aufzubrechen. »Mein Vater macht hier die Schlosserei.«
    Doch ein demoliertes Schloss hätte Alexanders Eltern missfallen, die sich für den folgenden Tag angesagt hatten. Wollte dieses Mädchen womöglich mit uns in den Wohnwagen? Aus Rache gegenüber einem wetterwendischen Freund? Der dann am Morgen kommen und die Fenster einschlagen würde?
    Die Liebe war außer Reichweite. Wir waren zu keiner Romantik fähig, zu keiner Zärtlichkeit, und obendrein impotent. So mieteten wir im Wirtshaus vom restlichen Barvermögen ein Zimmer mit gelb gerauchten Gardinen und einem Kaktus im Fenster. Wir nahmen die klebrigen Zeitschriften aus dem Gastraum mit nach oben und verbrachten die Nacht bei Licht, indem wir einander Klatschnachrichten vorlasen, bis wir in der Morgendämmerung einschliefen.
     
    Bad Boy kann man nur für eine begrenzte Zeit sein. Anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages verkündete Prince, er wolle von nun an vornehmlich Gutes tun. Nick Cave empfahl bei gleicher Gelegenheit die Rückkehr zum Urchristentum. David Lynch verschrieb sich der Erleuchtung durch Maharishi Mahesh Yogi. Sein Vorbild Baudelairehatte mit vierzig geseufzt: »Selbst der Teufel muss irgendwann Weihwasser trinken.« Er hatte sich selbst gemeint; der Absinth beflügelte seine Schaffenskraft nicht mehr.
    Jenseits der dreißig erfordert es zunehmend Mühe, als schlimmer Bube ernst genommen zu werden. Jenseits der vierzig mag es auf der Bühne und im Film noch klappen, mit ein bisschen Schminke und einstudierten Gebärden. Dennis Hopper konnte sich einen Rest diabolischen Nimbus ins Alter retten, desgleichen Keith Richards, doch engelsgleiche Jungfrauen werden nicht mehr angezogen von Greisen, die sich nur noch mit Windeln sicher fühlen. Und all diese Leute sind durch Entziehungskliniken geschleust worden.
    Mit etwas Glück mutiert der Rebell zum ranzigen Alten in geblümter Wohnung mit Rüschengardinen wie Bob Dylan oder zum humpelnden Zausel mit krankenpflegender Ehefrau wie Charles Bukowski. Oder er wird einfach nur fies wie Jerry Lee Lewis und belästigt Nachbarn wie Jack Nicholson. Mit der Rettung durch eine leuchtende Schöne wird es dann nichts mehr. Das zahnlos sabbernde Ungeheuer bleibt allein.
     
    Wenn der Weg direkt vom Kater in die Kirche führt, wie die alte Legende es nahelegt, können die Zähne erhalten bleiben. Die Ungleichheit des Paares nicht. Entweder die Partner gleichen sich einander an, oder sie gehen auseinander.
    Die Kirche war in meinem Fall das Dojo eines Zenmeisters im oberen Donautal. Bei Alexander war es eine leibhaftige Kirche mit Kanzel und Taufstein. Die hochgeschlossene Pfarrerstochter mit dem rollendem R holte ihnin ihr Heimatdorf hoch im Norden, nach Dithmarschen, wo der Regen von vorn kam, egal in welche Richtung man sich wendete.
    Dort bezog Alexander ein Zimmer im Pfarrhaus. Fortan gehörte er zur Familie. Sie sorgte dafür, dass er sein Musikstudium an der Orgel fortsetzte oder erst richtig begann. In einer weiß

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