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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Weise auf sie verlassen konnte, bezweifelte ich. Sie versprach, sie würde mich besuchen kommen.
    Eine Beurlaubung für zwei Semester war möglich. Beurlaubung – wovon eigentlich? Ich merkte, dass ich selbst kaum noch wusste, für welches Studium ich eingeschrieben war. So zog ich mit blankgefegtem Gedächtnis, nach Zen-Verständnis also mit dem empfohlenen Anfängergeist , ins Meditationshaus am Donauufer, neun Autostunden von Lena entfernt. Demutsvoll ließ ich mich von Pater Felix einweisen in die kontemplative Küchenarbeit und ins achtsame Unkrautzupfen und saß zweimal am Tag zwei bis drei Stunden lang auf Kissen oder Bänkchen, mit untergeschlagenen oder gekreuzten Beinen, ineinandergelegten Händen und aufrechter Wirbelsäule, in einer kleinen Runde von Gleichgesinnten.
    Es half. Die grausigen Visionen verloren an Farbe. Ich sank in die Ruhe, mit kleinen Aussetzern immer tiefer, sank in den Frieden und blieb dort. Jedenfalls bis ich die Bäckerei Eberle aufsuchte.
     
    Ich erzähle davon, weil zu den Urbildern ungleicher Paare auch dieses gehört. Es ist sogar ein Paradepaar. Von genießerischem Spott und zotigen Scherzen begleitet, geistertes durch die Geschichte: der Eremit und die Versucherin, der Asket und die Hexe, der Papst und die Mätresse, der Philosoph und die Magd, der reine Tor und die böse Fee, der behütete Prinz und sein koksendes Bad Girl.
    Die Ausstellung in Gotha wartete auf mit einem Dutzend Bildern von Zisterziensern, die nackte Mädchen umarmten; von Einsiedlern, die einer Fee verfielen; von Patres, die bei einer schönen Sünderin den Teufel gleich persönlich austrieben; von Hieronymus oder Antonius, die sich den Reizen einer Verführerin erst sattsam auslieferten, um zu wissen, was sie anschließend ablehnten; von Jesus und Maria Magdalena und von David, der mit einer Gefährtin aus Sunem eine sexuelle Frischzellenkur erfunden hatte, den Sunamitismus : Je frischer die Jungfrau, desto heilsamer für den mönchischen Mann.
    Wie lauteten doch gleich die weisen Worte des abendländischen Mönchsvaters Augustinus?
    »Nichts zieht den Geist eines Mannes so machtvoll zur Erde wie das Streicheln einer Frau.«
    Dass es ein herrliches Streicheln ist, verschwieg Augustinus keineswegs. Dass es einem Mann wohltue, gelegentlich auf die Erde gezogen zu werden, fügte er ebenfalls hinzu.
    Nur kann es sein, dass der Mann diese Erdung übelnimmt. Nicht gleich. Erst im Nachhinein. Falls er zu der Ansicht gelangt, sein Leben hätte glücklicher verlaufen können – wäre er nicht dem Streicheln dieser einen Frau gefolgt.
    Sofern er argwöhnt, er sei verführt worden, und nicht zu seinem Besten, fällt ihm nach gründlichem Nachdenkendas Bild von Eva ein. Er möchte eine Ursache finden, und das klappt auch. Er fühlt sich heruntergezwungen aus Höhen, in denen er nie gewesen ist, die er aber hätte erreichen können – wenn er seinen Vorstellungen nur hätte folgen dürfen. Heruntergezogen hat ihn eine Gestalt mit schwerem Becken, eine Nachfahrin jener Urahnen, deretwegen Adam, der Mensch schlechthin, das Paradies hatte verlassen müssen.
    Dass ein Mann auf solche Gedanken kommt, kann passieren. In jeder Ehe. Umgekehrt ist es seltener. Auf ihre Abenteuer mit Bad Boys ist eine Frau stolz. Es sei denn, sie hat einen geheiratet und er entpuppt sich als unverbesserlich; kein Herz aus Gold kommt trotz emsigen Schrubbens unter den rüden Schichten zum Vorschein. Oder sie ist schwanger geworden, und er hat Reißaus genommen.
    In der Regel jedoch nimmt sie die Abenteuer mit wilden Kerlen gern auf in ihr Album inspirierender Erinnerungen und in die kennwortgeschützte Datei. Mag ja sein, dass sie gelegentlich zurückgreifen muss auf einen Raufbold mit schlechtem Betragen, auf einen einsamen Wolf oder lüsternen Teufel. Sie wird kaum behaupten, er habe sie heruntergezogen; zumal ihm das auch nicht gelingt. Eher wird sie stolz sein, ihn ein wenig geliftet zu haben.
    Soviel ich weiß, hat die grazile Schönheit mit der Jugendstilsilhouette später nie schlecht vom Sinti ihrer Nächte gesprochen. Sie hat überhaupt nicht mehr von ihm gesprochen. Höchstens von einem Trottel, der nachts speichelnd unter ihrem Fenster saß. Ein Jahr nach der Affäre heiratete sie einen ebenbürtigen katholischen Ehemann; denselben, der sie zuvor verlassen hatte und über den ich sie hatte hinwegtrösten wollen. Er war zur Vernunftgekommen. So gesellten sie sich, wie es denn sein soll: Gleich und Gleich.
     
    Als ich zur Arbeit im

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