Ungleiche Paare
Konzil strich er die Gemeinsamkeit von christlicher Mystik und Zen so überzeugend heraus, dass zahlreiche Patres ihm folgten.
Einer von ihnen war jener Benediktiner aus dem Kloster in Beuron. Er bekam sein renovierungsbedürftiges Meditationshaus, tausend Meter von der Abtei entfernt, über den Feuchtwiesen in der engsten Schlinge der Donau. Als er es eröffnete, für alle aufrichtigen Sucher gleich welcher Herkunft, hatte er gewiss nichts anderes im Sinn, als durch tiefe Versenkung zu den Ursprüngen des Christentums zu gelangen, zur Wurzel allen Glaubens und Wissens, zur unmittelbaren Erfahrung.
War das zu kühn? Es scheint so. Das Kloster hatte dem Mönch eine Haushälterin an die Seite gestellt, damit er für die Teilnehmer des Kurses nicht auch noch kochen musste. Jedoch keine runzelige Großmutter, wie sie jetzt der klügere Jesuit ausgewählt hatte. Im Gegenteil. Wer nur hat damals für den Gründer die Wirtschafterin bestellt? Der Abt, als listige Prüfung? Oder der Widersacher persönlich?
Aus einem abgegriffenen Prospekt jener Jahre, der in der Bibliothek aufbewahrt wird, springt sie einem heute noch auf den ersten Blick ins Auge, obgleich sie nur im Hintergrund schwarz-weißer Gruppenfotos zu sehen ist. Eine strahlende Schönheit, ein rosiges Schwarzwaldmädel im Mieder, geradewegs einem rauschenden Heimatfilm entstiegen, viel zu frisch, zu kraftvoll und zu lebenslustig, um das Keuschheitsgelöbnis eines charismatischen Mannes zu akzeptieren, noch dazu eines Mannes auf neuen Wegen.
Das Ereignis, das die Benediktiner drüben im Kloster für alle Zeit von den Anfechtungen der Zen-Meditation heilte, war erschütternd, auch im wörtlichen Sinn. Eine Nachbarin des Hauses hat es der interessierten Nachwelt so überliefert. Als ich bei meinem Meditationsaufenthalt nach dem Geschehen fragte, das bereits zwanzig Jahre zurücklag, wusste man noch davon: »O ja!«, »Um Himmels willen!«, »Ach, Gott!«, und winkte wissend ab.
Nicht einmal das Fenster habe sie öffnen müssen, hatte die Nachbarin durchblicken lassen, geschweige denn vor die Tür treten. Nächtliches Gelächter sei gleich von Beginn an vernehmbar gewesen, nach der Eröffnung des Hauses. Verdächtigerweise immer nur, solange kein Meditationskurs lief, wenn also außer dem zölibatären Paar niemand im Hause war. Glockenhelles Gelächter der jungen Haushälterin und scherzende Rufe des Mönches. Dergleichen Begleiterscheinungen hatten in der aufmerksamen Nachbarin früh Zweifel aufkeimen lassen an der vergeistigenden Wirkung der Meditation.
Jedoch das, was in jener folgenschweren Nacht zu hören war – in derjenigen, welcher –, ward nie zuvor vernommen an dieser Engführung des Donautals, nicht einmalin der Spuknacht vor Allerheiligen, auch nicht an Sankt Walpurgis bei Vollmond, nein, niemals zuvor und niemals hernach, niemals mit solcher Wucht, solch erdigem Beben. Kein Wunder, dass die alteingesessenen Fledermäuse in schwirrender Panik Reißaus nahmen. Kein Wunder, dass unten auf der Donau die Enten angstvoll von ihren Schlafplätzen flatterten. Noch hoch oben hinter den Felszinnen, am Wandererheim von Irndorf, schlugen die Hunde an.
Gegen Morgen Ruhe. Unheimliches Schweigen. Beginn eines Tages ohne Sonne. Stockender Nebel im Tal. Die wattige Feuchtigkeit schluckte die Kalktürme, schluckte die Bäume, schluckte das Haus. Der zerrissene Vorhang geflickt und geschlossen. Es folgten Wochen ergebener Stille.
Den Teilnehmern des folgenden Meditationskurses fiel lediglich auf, dass die Haushälterin großartig kochte. Denjenigen des Kurses danach kam es so vor, als ob sie selbst gern aß. Und die Teilnehmer des dritten mutmaßten, dass sie wohl deshalb derartig zunahm. Der vierte Kurs wurde abgesagt.
Der ehemals keusche Priestermönch wartete einen Tag mit makellosem Veilchenhimmel ab, um den Kiesweg hinabzupilgern zu der schön geschwungenen Steinbrücke, die über das Wasser führte, das dunkel und glatt dahinzog. Ein Spielzeugschiffchen hätte bei dieser Fließgeschwindigkeit in zwei Wochen Österreich erreicht, wenig später Kroatien und Serbien, dann Bulgarien, Rumänien, schließlich das Schwarze Meer mit freier Auswahl der Landeplätze an sonnigen Küsten. Er jedoch, der Wortbrüchige, konnte sich nicht in einen der Kajaks setzen, die am Ortseingang vermietet wurden, und sich mit beiläufigen Paddelschlägenhinabtreiben lassen. Er musste am gegenüberliegenden Ufer weiter: den Asphaltweg hinauf, vorbei am Minigolfplatz, vorbei am
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