Ungleiche Paare
verheiratet bist? Bei den ... äh, ich sage lieber: Roma und Sinti, da ist es doch so: Wenn Mann undFrau über Nacht fortbleiben, sind die beiden miteinander verheiratet.«
»Quatsch! Er ist katholisch. Sie sind konvertiert, die Großeltern schon, damals nach der Sturmflut.«
»Na, dann passt es ja«, fügte ich mich bitter.
»Es hat keinen Sinn, sich mit dir darüber zu unterhalten. Du bist gestrichen voll mit Vorurteilen. Und weißt du, Dietmar, ich fühle mich nicht berufen, dich davon zu heilen. Geh wieder ins Kloster. Amen.«
Dürfen wir wieder?
Ins Kloster. Das war dreist und bissig, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Resignation. Rückzug. Stille. Doch, ja, herrlich. Letzte Rettung eines irrenden Suchers. Vor Jahren hatte mir ein Benediktinerpater erzählt, es gebe verschwindend wenige Frauen, die sich nach Zölibat und Nonnenleben sehnten. »Aber fast jeden Mann zieht es irgendwann zum Mönchtum.«
Dem Stadium war ich ziemlich nahe.
Aber wieder ins Kloster? Nicht einmal das war ganz und gar abwegig. Zwar hatte ich nie in einem Kloster gelebt. Aber ich hatte es behauptet. Ihr gegenüber. Es sollte mir den Nimbus eines noblen Katholizismus verleihen. Ich fand die Vorstellung romantisch, aber vor allem hatte ich mich als gleichrangig empfehlen wollen. Unterdessen hatte sie sich nach ungleichen Männern umgesehen. Ärgerlich und typisch.
Bis Beuron war ich mal gekommen, im oberen Donautal. Etwas erhöht in einer Flussschleife, wie auf der Bühne eines Amphitheaters, thront dort ein Benediktinerkloster. An der Pforte hatte ich um eine Besichtung gebeten. Prompt hatte der Gastpater mich zum Mittagessen mit den Mönchen geladen – was sich als Abfütterung erwies, mit Geklirr und Geklapper und klatschenden Kellen wie vormals im Schullandheim. Anschließend hatte er mir die Zimmer des Gästeflügels gezeigt: Tisch, Bett, Stuhl, Schrank, Waschbecken, Blick ins Tal. Eigentlich genügte das.
Vom Fenster aus hatten wir am Berghang gegenüber das Nonnenkloster liegen sehen, idyllisch angeleuchtet von der Nachmittagssonne. Seit langem war es aufgegeben und harrte eines Pächters, der es zum Hotel umbauen würde. Angesichts dieses in Frieden ruhenden Gemäuers hatte der Gastpater jene Erkenntnis preisgegeben – über die Frauen, die keinen Hang zum zölibatären Leben verspürten, und die Männer, die von Natur aus dazu neigten. »Vielleicht kommen Sie ja auch mal her, für länger.« Mit diesem Satz hatte er mich nach anderthalb Stunden verabschiedet.
Also doch, ja, ich konnte behaupten, ich sei im Kloster gewesen. Nur hatte sich der halbe Nachmittag in meiner Erzählung auf ein halbes Jahr ausgedehnt. Und selbst diese Dauer war lediglich aufgeblasen, nicht gelogen. Mehrere Monate lang hatte ich mit Blick auf jenes Benediktinerkloster gewohnt, zuerst in einem schlichten Meditationszentrum, das ein siebzigjähriger Jesuit leitete. Später allein in einem ehemaligen Bahnwärterhäuschen, das der Meditationslehrer als Ableger seines Hauses erworben hatte – für Eremiten mit Selbstverpflegung. Ein idyllischer Platz, für mich allerdings ein verhängnisvoller.
Eingeführt in die erlauchten Gefilde hatte mich ausgerechnet die lustige Lena mit dem pummeligen Schwung. Mittlerweile wusste ich, weshalb sie so pummelig war: weil sie beim Liebesspiel gerne aß. Bananen, Brausepulver, Götterspeise, Sahneeis, Gummibärchen, Mousse au Chocolat. Zugleich hatte sie einen geselligen Hang zum Buddhismus. Jesus, vor allem der angenagelte, war ihr zu mager und zu sauertöpfisch. Sie liebte die genießerischen Goldbuddhas, die mit bauchigem Lachen den Erdkreis erschütterten.Obendrein fühlte sie sich zur mitfühlenden Hilfsbereitschaft eines Bodhisattvas berufen. Deshalb reisten wir nach Beuron. Das stille Sitzen in tiefer Meditation, meinte Lena, würde die hypnotischen Angstvorstellungen vertreiben, die nach dem Horrortrip nie ganz verschwunden waren.
Um sicherzugehen, hatten wir uns für ein vierzehntägiges Retreat eingeschrieben. Und wir blieben dem Vorschlag des jesuitischen Zenmeisters treu, in dieser Zeit zölibatär zu leben. Lena, das fiel allen zwölf Teilnehmern auf, nahm ab in den beiden Wochen. Das lag auch an den zum Fasten zwingenden Kochkünsten der alten Haushälterin. Jedenfalls reichten Lena die beiden Wochen, speziell was die Enthaltsamkeit betraf. Ich hingegen war auf den Geschmack gekommen.
Ihr behagte auf Dauer die bedrängende Umgebung nicht. Sie fühlte sich eingezäunt. Mir gefiel gerade
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