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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Ich bereue mein Schweigen und bekenne mich jetzt. Nunmehr will ich dich annehmen als meinen Sohn mit allen dazugehörigen Pflichten.«
    Er muss sich hinunterbeugen, um dem Geschwächten aufzuhelfen. Vier Sender, sechs Handycams übertragen live. Es wird getwittert. Der Sohn lächelt, man weiß nicht,ob entzückt oder im Delirium. Es ist ein bewegender Augenblick. Ein symbolischer noch dazu, möglicherweise eine Wende in der Kirchengeschichte. Einige Zuschauer, vor allem Frauen, weinen. Andere sagen: Das hätte er jetzt nicht tun sollen.
    Der Sohn schwankt auf wackligen Beinen. Er lehnt sich ans Kreuz. Atmet lange aus. Er blickt dem Vater in die Augen. Der Vater nickt freundlich und paterhaft. Der Sohn hebt mit Mühe einen Arm, um den Segen zu empfangen oder wenigstens einen Handschlag des Vaters. Oder kommt es gar zur Umarmung? Nein, jetzt sieht man ihn ausholen, so viel Kraft scheint geblieben. Und nun, oha!, nun gibt er dem Vater eine schallende Ohrfeige, die schallendste, die je unter einem Kruzifix erteilt wurde. Die Szene gehört inzwischen zu den meistgeklickten auf YouTube.
     
    Würde gehören. Falls es sie gegeben hätte. Doch im Gegensatz zu geschätzten zweitausend anderen Mönchen und ehelosen Priestern in Deutschland hat der Beuroner Benediktiner und Zenmeister sein Kind früh anerkannt. Schon vor der Geburt. Noch vor dem Gespräch mit dem Abt. Und er hat sich nicht umstimmen lassen. Er war bereit, aus dem ungleichen Paar ein gleiches zu machen. Mit dem schwangeren Schwarzwaldmädel verließ er das Kloster, verließ den Orden, verließ das Tal, verließ die Donau, Hohenzollernland, Schwaben und Württemberg und gründete mit seiner Gefährtin, die nun eine rundliche Frau guter Hoffnung war, eine Familie in Franken.
    Lange sei die Sache nicht gutgegangen, erzählte mir der Gastpater des Klosters ohne die mindeste Genugtuung. Eswar ihm ernst; er bedauerte das Scheitern der Verbindung. In dem Mann habe doch ein Mönch gesteckt, unverleugbar noch unterm Businessanzug, mit dem er dann in Nürnberg einem weltlichen Verlagshaus diente. Seine Frau, die junge Mutter, entpuppte sich als vergnügungsfroh und verlangte nach Tanz, Bowling und Reisen. Mit der Zeit auch nach anderen Männern. Die standesamtliche Ehe wurde aus Trotz und Willenskraft eine Weile aufrechterhalten. Dann ging es nicht länger. Die Frau heiratete nach ein paar Jahren erneut. Der Mann blieb allein. Um eine Wiederaufnahme hat er das Kloster nicht mehr ersucht.
    »Ungleiche Partner können immer nur für kurze Zeit in Harmonie leben«, schloss der Gastpater und nickte bekräftigend, weil ich nicht gleich zustimmte. »Dieselben Differenzen, die am Anfang so aufregend scheinen, erweisen sich nach einiger Zeit als unüberbrückbar. Der eine mag den Weg des anderen nicht mitgehen. Er wirft ihm sein Verhalten vor und versucht, ihn zu ändern. Natürlich vergebens. Beide hadern, der eine mehr als der andere, man richtet sich vergrämt in einer schlechten Partnerschaft ein oder beschließt die Trennung.« Seine Erfahrungen musste er aus Beichten bezogen haben und aus den mehrtägigen Seminaren, die er unter dem Titel Exerzitien für Ehepaare abhielt.
    Schwul war er nicht, der Gastpater der Abtei. »Dieser Anteil wird maßlos überschätzt«, lächelte er nachsichtig. »In meinem Fall gab es ein Mädchen, das sehr unglücklich war, als ich Novize wurde. Ein anderes trauerte still von weitem. Heute sind beide froh, dass ich ihnen die Heirat erspart habe. Beide haben es besser getroffen. Sie haben Familienmänner geheiratet. Ach, Sie ahnen ja nicht, wie viele verheiratete Mönche in der Welt leben!«
    Stumm und ernst wiegte ich den Kopf, als sei mir das seit langem bewusst.
    »Vielleicht«, schloss er, »sind Sie auch einer?«
     
    Mönchische Männer, die verheiratet sind. Der Gastpater war belesen. Er spielte auf ein trotziges Wort an, das Jane Austen zugeschrieben wird und das mit den Jahrhunderten noch von anderen Geplagten in Anspruch genommen wurde: »Wenn eine Frau herausfinden will, wie ein Leben ohne Mann ist, muss sie heiraten.«
    Ein Mann, entdeckte die kluge Beobachterin, sieht sein Privatleben mit der Eheschließung als befriedet an. Nach der Hochzeit kann er sich endlich den wirklich wichtigen Dingen zuwenden: Seinen Bleisoldaten, wie Friedrich der Große, der seine Angetraute weder sexuell belästigte noch erfreute. Oder seiner unvergleichlichen Sammlung vergoldeter Spiegel, wie Ludwig der Sechzehnte, der Marie Antoinette niemals

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