Ungleiche Paare
Erleuchtung Strebenden, mehrheitlich Männer, träumen von dieser endgültigen Lösung: Zurück ins Ungeborene, in das, was buddhistisch Nirwana genannt wird, ins Nichtsein. Konsequent bleibt dieses Streben naturgemäß selten. Meist winken von der anderen Seite des roten Bandes die vom Zölibat betroffenen Frauen.
Dieses Winken fächelt nicht einfach nur Luft durch den Garten. Es ist ein Winken, das zieht. Unsichtbare Fäden weben sich von den Fingerspitzen. Eine leichte Brise nimmt sie mit und schlingt sie um den nach eigener Einschätzung über alles erhabenen Mönch.
Die Lust der Heiligen
Als ich in der Beuroner Bäckerei – die eine dürftig bestückte Filiale der Irndorfer Bäckerei war, geöffnet lediglich an drei Vormittagen in der Woche – nach einem kräftigen Brot verlangte, nach irgendeinem, das einfach nur anders schmecken sollte als das seit Monaten täglich eingespeichelte Weizenvollkornbrot des Zen-Hauses, und als im Laden, der leer zu sein schien, auf mein Rufen hin niemand antwortete, als dann aber ein Mädchen hinter dem Tresen emportauchte – es hatte vergeblich nach herabgefallenen Münzen getastet – und als dessen Blick mich traf, kam mir die Sehnsucht nach dem Nirwana auf der Stelle und für immer abhanden.
Das war es! Die Erlösung! Hier schon, jetzt! Ende der Suche!
Da hatte es doch mal so ein Lied gegeben, das ich als Kind gesungen und nie begriffen hatte, vom Jäger, der in sein Waldhorn blies, aber alles Blasen war verloren, als ein schwarzbraunes Mädel aus dem Gebüsch sprang. Auf einmal war es vollkommen klar! Hier war dieses Mädchen, mit den seit Jahrhunderten vertonten Haselnussaugen, mit tannenduftender Sinnlichkeit, heimlich gepflückten Himbeeren am Südhang, mit barfüßigen Pfaden zu gräsernen Lichtungen im Hochwald – ach, mit diesem Charme, dieser Geschmeidigkeit, diesem willkommen heißenden Blick!
Das war Liebe. Und auch noch erwiderte Liebe! Dieses Lächeln war schon die Bestätigung. Das war Einheit. Mehrgab es nicht, mehr war nicht zu erreichen, auch nicht durch jahrzehntelanges Meditieren auf der einsamsten Bergspitze des Himalaya. Nur deshalb, um dieses Mädchens willen, hatte mein in etlichen Leben mühsam erarbeitetes gutes Karma mich in dieses Tal geschleust!
»Ich möchte ein Schwarzbrot«, räusperte ich hervor. »Und wenn Sie es in Scheiben schneiden könnten ... «
Wie mickrig das klang. Als müssten die Worte aus der Kehle geschabt werden. So wenig hatte ich gesprochen in letzter Zeit, dass die Stimmbänder knirschten wie das Schloss im Wochenendhaus meiner Eltern, wenn ich es nach dem Winter zum ersten Mal öffnete. Mein Hüsteln klang rostig. In Indien sollte es Gurus geben, die vor Jahren oder Jahrzehnten ins Schweigen verfallen waren und nun nicht mehr herauskommen konnten, selbst wenn sie wollten. Genau wie auf den psychiatrischen Stationen des Westens. Und hier im Tal.
Ach, Gurus, Täler, beredtes Schweigen. Da war es schon wieder, das spirituelle Über-Ich. Mit seinen Meistern, Vorsätzen, weglosen Wegen oder achtfachen Pfaden. Mit vier edlen Wahrheiten, von denen die erste hieß: Glück ist vergänglich. Und die zweite: Begehren schafft Leiden. Scheußliche Weisheit des tugendhaften Lebens. Hatte ich alle Ideologien, christlich, sozialistisch, anarchistisch, hinter mir gelassen, um auf den Buddhismus reinzufallen?
Nein. Hier drohte ich hereinzufallen. In diesem einzigen Laden von Beuron. Auf dieses Inbild sinnlicher Schönheit. »Triffst du Buddha unterwegs, geh weiter«, hieß es im buddhistischen Erbauungsbuch Jeder Tag ein guter Tag , das im Zen-Haus auslag. Wenn du gefunden zu haben glaubst, was du gesucht hast, lass es zurück. Denn das kann es nicht sein.
Also, bleiben durfte ich hier nicht, wenn der Tag ein guter Tag sein sollte. Wollte mein durchtriebenes Sakral-Chakra mich auf die Probe stellen? Oder war es das Wirken unseres Meditationslehrers? Hatte der schlaue Pater Felix dieses Mädchen engagiert? Sicher kannte er es. Womöglich hatte er es darüber informiert, dass energetisch gestaute Männer durchs Dorf streunen könnten? Wie peinlich!
Der Gedanke hatte etwas Temperatursenkendes wie die Schockfrost-Taste an der Kühltruhe im Meditationshaus. Ja, es war eine Probe. Und ob absichtsvoll herbeigeführt oder Zufall, ich würde sie bestehen. Meine Verliebtheit war ein Produkt hormoneller Ausschüttungen und parallel entstehender Gedanken. Ich lächelte dem Mädchen zu, unverführbar, mit vollkommenem Gleichmut allem
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