Ungleiche Paare
taugten kaum als Ermutigung. Lea Massari hatte sich eine verkorkste Affäre geleistet, mit einem Fünfzehnjährigen, dessen Mutter sie in einem Louis-Malle-Film spielte. Im Fernsehen wurde Lieben Sie Brahms? wiederholt; darin stellte Ingrid Bergman dem zwanzig Jahre jüngeren Anthony Perkins nach und fiel anschließend in Depressionen. Peter Handke war zur vierzehn Jahre älteren Jeanne Moreau gezogen und bald wieder geflohen. Bestärkend war das nicht.
Aber mit Jakob und Alexander, meinen Erstsemester-Freunden, peinlicherweise noch jungfräulich, streunte ich spätabends unter den erleuchteten Fenstern durchs Viertel. Wir starrten nach oben und sehnten uns nach den Frauen dahinter, den Dreißigjährigen, die sich tagsüber mit Einkaufstüten und Kinderwagen durch die Straßen mühten. All diese mit der Langeweile verheirateten jungen Mütter! Sie waren noch rosig und halbwegs frisch und begehrenswert. Sie konnten unmöglich zufrieden sein mit ihrem Trott und ihren Männern. Sie mussten sich nach Abenteuern sehnen in ihren selten besuchten Betten!
Als edle Frühintellektuelle hatten wir die französischenFilme gesehen, die den Trend für dekadente Geister vorgaben und in denen sich die Verführung von selbst ergab. Auch Warhols Flesh hatte uns infiziert. Wir hatten uns vorgestellt, wie wir als Callboys Spaß hätten und zugleich Geld abschöpfen würden. Warum gab es so wenig Callboys? Hier waren wir! Niemand rief uns. Niemand kannte uns. Wie kam man ins Geschäft? Der Flesh -Darsteller sprang in einer späteren Fortsetzung ins Bett einer alternden Diva und strich dafür Vermögen und Connections ein. Na bitte! Das musste doch möglich sein!
Läufig und ratlos strichen wir durch die abendlichen Straßen und spähten zu den Fenstern hoch. Wie kam man als Jungstudent mit einer zehn oder zwanzig Jahre älteren Frau zusammen, einer immer noch jungen, lüsternen, vernachlässigten Ehefrau? Nicht für länger, nur mal so zwischendurch, ohne Verpflichtung, ohne Versprechen, lediglich mit dem Schwur, niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen.
Man kam nicht zusammen. Kein Weg tat sich auf. Zunächst jedenfalls nicht. Eine Zeit lang war es bei berauschenden Vorstellungen geblieben, gesteigert im gegenseitigen Anfeuern, bei in der Nachtluft verglühenden Bildern. Die erwachsenen Frauen, mochten sie noch so unbefriedigt sein, hatten uns keines Blickes gewürdigt.
Mittlerweile bemühen sich die Frauenzeitschriften, die ältere Partnerin als erotischen Standard durchzusetzen. Selbst der desinteressierteste Netzwerker kann online den Bildern von gelifteten Diven nicht entgehen, die von zwanzig Jahre jüngeren Männern begleitet werden und Triumph ausstrahlen. Kate Moss, Cameron Diaz, Demi Moore, Susan Sarandon, Tina Turner, Vivienne Westwood,Nena, Iris Berben, Lisa Fitz, Uschi Glas. Selbst Gespenster wie Joan Collins, Brigitte Nielsen, Amanda Lear oder Ivana Trump müssen als Beweis herhalten dafür, dass Frauen sich endlich offiziell erlauben, was Männer sich von jeher geleistet haben.
»Dietmar, du siehst so frustriert aus! Ist denn kein Bild für dich dabei?«
Doch, doch. »Ich hatte nur vergessen, warum ich mir keine Schlösser und Museen mehr antun wollte.« Jetzt wusste ich es wieder. Angeblich sollten die Masterpieces das Bewusstsein des Betrachters erweitern. In Wahrheit stutzten sie es aufs Versagerformat.
»Du wirst ja nicht abstreiten«, frohlockte sie, »dass dieses hier unser Zusammentreffen ist.«
Es machte ihr Spaß, mich mit dem Bild des blatternarbigen Alten zu quälen. Er war dargestellt, wie er mit einer Hand einen prallen Geldbeutel streichelte, mit der anderen das blühende junge Mädchen auf seinem Schoß. Nicht verkehrt, aber ich war hundert Jahre jünger als der Schwartenkopf. Die hier dargestellte Variante wollte ich mir für später vorbehalten.
»Das sind wir«, stichelte sie. »Oder willst du es leugnen?«
»Wie könnte ich? Es ist doch offensichtlich!«
»Ach so?«
»Ja, das ist exakt das Porträt, das am Schlosseingang von uns aufgenommen worden ist. Mit der versteckten Webcam. Die Aufseherin hat es rasch hingehängt, als wir klingelten. Deswegen hat es gedauert, bis ihr Lover die Tür öffnen durfte. Den Trick machen sie mit allen Besuchern.«
»Du kommst um die schmerzhafte Erkenntnis nicht herum«, lächelte Josephine großmütig: »Dein Weg ist bei diesem Bild zu Ende, und meiner beginnt erst.«
Die Feuerrote schielte durch die Türöffnung. Sie wollte allmählich
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