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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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an Rücken, waren wir aneinandergefesselt von der Göttin der Liebe, sie ganz Beweglichkeit, ich plump und starr mit ihren Brüsten in dilettantischenHänden. Ach, Erleuchtung!, dachte ich, als ihre Finger spielend das Zentrum erreichten, von dem das Licht noch eben nach oben geflossen war, jetzt explodierte es genau dort, wo Zündschnüre die Dynamitstange umfassten.
    Es war ein Schmerz, der mich lauter schreien ließ, als die Wände der Bahnwärterklause erlaubten. Rehe flohen, Mäuse erlagen dem plötzlichen Herztod, Radfahrer landeten in der Donau. Sie lachte fröhlich wie die Magd des Thales. Ich war in den Brunnen gestürzt. Sie half mir heraus.
    »Du bist ja süß!«, sagte sie. Und entwand sich, sprang auf und rief: »Komm ins Bett!«
    Behände und lustig zog sie sich aus, als ginge es zum Schwimmen an den Baggersee, schleuderte ihre Sachen munter in alle Richtungen, lachte mich aus, der ich noch schwermütig dasaß. Ich hatte gerade noch Zeit für einen Blick auf die hüpfenden Brüste und das schimmernde samtschwarze Lockengekräusel, da war sie schon unter der Decke. Bei mir ging das Ausziehen stockender, nebst ungelenkem Trockenwischen, doch verblüffend unbeugsam stand der Einsiedlerturm im Beuroner Himmel, alle spirituelle Energie strömte da unten zusammen.
    Sie liebte das Ringen, das Raufen, das Spiel. Ich war ausgeliefert. Sie verstand sich aufs Necken und Sich-Entziehen. Sie stieß mich fort, balgte, griff nach ihm, drehte ihn, versetzte ihm einen Knipser, ging mit den Fingern darauf spazieren, derweil ich einfältig das Meinige tat, schnaufend – so jedenfalls blieb es mir in Erinnerung, weil gegen ihre Geschmeidigkeit alles klobig erschien. Eine Katze, die um eine Hausecke streicht, eine Fischerinim mähnigen Bachkraut, barfuß und die Schuhe in der Hand, nackte Fee auf einer Wiese voll Klee. Und duftende Blütenstände des Flieders, gäriger Duft am warmen Rain, eine schmale Holzbrücke über den Fluss, warme Bretter, die unter den Füßen zittern und gleich nachgeben.
    Immer noch zog ich ab und zu die Energie nach oben, die Übung hatte sich eingeschliffen, und überraschenderweise war sie ein Kniff zur Verlängerung. Weise Tibeter! Danke für eure mit Hieroglyphen bekritzelten Papierschwalben vom Dach der Welt! In den Bilderwirbel mischten sich die wolllüstigen Lamas und genießerischen Päpste, die augenzwinkernden Patres und halbnackten Heiligen mit verrutschendem Lendenschurz, die prostenden Mönche und weltlichen Genies, die auch nur Sex, ein Steak und ihre Ruhe haben wollten.
    »Schluss jetzt!«, rief sie, versetzte mir einen Klaps und gleich noch einen heftigeren, zog mich endgültig zu sich, quietschte vergnügt und holte für immer den Frühling ins Haus, während ich mich der Göttlichkeit auslieferte und alle Sorgen um Schalldämpfung fahrenließ.
    Kurz darauf sprang sie aus dem Bett. Ich war noch in Trance. Der Kampf unabgeschlossen, die Runden nicht zu Ende gezählt.
    »Das reicht«, rief sie, »ich muss nach Hause!«
    Es glich dem vorzeitigen Ende eines sportlichen Wettbewerbs, den sie durch technisches K. o. gewonnen hatte, unter dem Beifall eines mir unbekannten Publikums.
    Rasch verschwand sie im Badezimmer, kam heraus, ehe ich mich gesammelt hatte, harkte ihre Siebensachen zusammen, befahl noch: »Du kommst am Sonnabend in die Bäckerei!«, und war verschwunden. Ich raffte mich auf,schob mich ans Küchenfenster und sah sie noch oben auf dem Waldpfad verschwinden, leichtfüßig zwischen Buchenzweigen und Seidelbast, eine Tänzerin aus dem Reigen im Kinderbuch – oder doch eher die schwarzbraune Waldfee, die den Jäger für immer verzaubert und dann entspringt und die, wie ihm zu spät dämmert, eine Hexe gewesen ist.
     
    Am Samstag pilgerte ich zur Bäckerei. Sie war nicht da. Die Frau, die an ihrer Stelle bediente, hätte ihre Großmutter sein können, ihre Mutter bestimmt nicht. Über die geringste Ähnlichkeit schon hätte ich mich gefreut. Ich wanderte zur Telefonzelle, der einzigen im Ort, am Parkplatz des Klosters. Das Telefonbuch fehlte. Zurück zur Bäckerei. »Kommt Theresa heute nicht?« Zwei Kunden drehten befremdet den Kopf zu mir. Die Großmutter hinterm Tresen schielte mich über den Rand ihrer Brille an, in schweigender Erwartung, als müsse ich erst mein Recht auf Auskunft begründen. Sie fuhr ungestört fort, die anderen zu bedienen.
    Weil ich nicht von der Stelle wich, sagte sie schließlich: »Nein. Soll ich ihr etwas ausrichten?«
    Es gab sie also.

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