Unguad
ihm zuwider. Er straffte seinen
Rücken und mobilisierte seine letzten Reserven.
»Hecker, verlassen Sie unser Zimmer! Sofort!« Hoch aufgerichtet
stand er in der offenen Tür.
Der ließ sich Zeit. Er brachte seinen schlaksigen Körper, den er
über der Armlehne eines Sessels zusammengefaltet hatte, langsam wieder in die
Senkrechte.
»Ist ja schon gut, Markovics. Nicht aufregen. Tun Sie an Ihren
Blutdruck denken.« Hecker winkte Magdalena spielerisch zu und bummelte am
aufgebrachten von Markovics zur Tür hinaus.
Im Knall der zufallenden Tür fragte Tibor mit erhobener Stimme seine
Ehefrau: »Was wollte der bei dir?
»Warum, Tibikém ?« Seine Frau sah ihn mit
ihren großen braunen Madonnenaugen erstaunt an.
»Du weißt, dass dieser Kerl hier nicht rumlungern soll.«
»Soll er nicht?«
»Nein, Magdalena! Soll er nicht!«
»Wir haben uns doch nur unterhalten.«
Tibor schüttelte resigniert den Kopf. Das Gedächtnis seiner Ehefrau
wurde immer schwächer. Wie oft hatte er schon mit ihr besprochen, dass er keine
Annäherung von diesem Kerl wollte. Er hatte ein schlechtes Gefühl, wenn der
Hecker mit Magdalena alleine im Zimmer war. Vielleicht sollte er seine
»aushäusigen« Aktivitäten einschränken, damit er mehr bei ihr sein konnte. Aber
das würde ihm schwerfallen. Er liebte Gesellschaft, und seine Gattin zog sich
immer weiter in sich zurück. Der alte Mann seufzte.
Er dachte: Jetzt sind wir so alt, und ich muss trotzdem noch auf
meine Ehefrau aufpassen! Das ist der Fluch, wenn man eine Schönheit geheiratet
hat. Für Tibor war Magdalena zeitlebens die schönste Frau auf der Welt.
Siebzehn Uhr dreiunddreißig
Die Gespräche mit Kerstin und Schwester Marion geisterten immer
noch in meinem Kopf herum. Ich hatte mir vor Elviras Tod nie Gedanken über sie
gemacht. Sie war mir von Anfang an unsympathisch gewesen. Basta. Nicht nur
wegen ihres ungepflegten Äußeren, sondern auch wegen ihrer kalten Augen und des
harten Zuges um ihren Mund. Ich stellte es mir gruselig vor, von ihr abhängig
und auf ihre Fürsorge angewiesen zu sein. Ich hatte sie schnell in eine
Schublade gesteckt. Das gebe ich gerne zu. So nahm ich mir vor, ein wenig
Hintergrundwissen zu sammeln und bei ihrer Mutter vorbeizuschauen. Vielleicht
erfuhr ich auf diese Weise auch etwas über das Mordmotiv. Ich konnte es halt
nicht lassen.
Die Adresse war im Nu gefunden. Es gab nur zwei Einträge mit »Böhm«
im Telefonbuch und der eine war die Bäckerei am Kirchplatz. Also nahm ich an,
dass »Böhm W.« Elviras Mutter war. Die Gegend würde auch in das Bild
passen. Böhm W. wohnte in einem kleinen Weiler außerhalb von Kirchmünster.
Grünes Ortsschild. Der klangvolle Name »Fad« stimmte den Besucher schon richtig
auf den ersten Eindruck ein. Dort standen vereinzelte Sacherl, kleine
Bauernhöfe, einsam im Nirgendwo. Man konnte sich nicht einmal an einer schönen
Aussicht erfreuen. Im Gegenteil, Fad setzte noch einen drauf. Es lag in einer
Senke, aus der der Nebel nur selten aufstieg. Früher hatten sich die
Kleinbauern nur mühevoll mit ein wenig Landwirtschaft über Wasser gehalten.
Heutzutage scharrten lediglich einige Hühner im Hof. Das war alles. Die
Bewohner hatten sich andere Verdienstquellen auftun müssen.
Um mir ein bisschen Bewegung zu verschaffen, fuhr ich die paar
Kilometer mit dem Rad. Das hörte sich leichter an, als es war. Das Rottal und
vor allem die Landschaft um Kirchmünster herum sind sehr hügelig. Steigungen von
zehn Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Deshalb hatte ich mir in diesem
Frühling ein Mountainbike angeschafft. Früher hatte ich es absurd gefunden,
wenn jemand in voller Montur affenartig über den Lenker gebeugt mit schnellen
Pedaltritten, aber in Zeitlupentempo an mir vorübergezogen war. Inzwischen sah
ich auch so aus. Ich hatte mir vorgenommen, dem hiesigen Fahrradclub
beizutreten. Ein wenig professionelle Trainingsanleitung würde nicht schaden.
Vielleicht würde ich es mir dann zutrauen, nächstes Jahr beim
Vierundzwanzig-Stunden-Rennen mitzumachen. Lust hätte ich schon. Einstweilen
schwang ich mich auf mein Rad, wann immer ich es einrichten konnte.
Nach zwanzig Minuten hatte ich Fad erreicht. Auch das Anwesen von
Frau Böhm war rasch gefunden. Es war das hässlichste Haus von insgesamt vieren.
Ziemlich heruntergewirtschaftet. Die ehemals wohl grünen Holzfenster
vermittelten den Eindruck, dass sie mehr Zugluft hineinließen als abhielten.
Die Hauswände waren ursprünglich einmal
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