Unguad
ich darauf antworten sollte.
Entschloss mich, mir kein Amt anzumaßen und schüttelte den Kopf.
»De war a scho do.« Frau Böhm nickte, anscheinend war sie mit ihrem
Gedächtnis zufrieden.
»Das dachte ich mir schon. Aber vielleicht ist Ihnen ja in der
Zwischenzeit noch etwas eingefallen. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.«
Elviras Mutter musste diese Informationen sortieren. Das war ein
wenig zu komplex für ihren Zustand. Ich wandte einstweilen meinen Kopf und
schaute zu den Nachbarhäusern hinüber. Die sind auch nicht unbedingt besser in
Form, dachte ich mir. Mein Blick schweifte weiter. Vorne bei der Landstraße bog
ein Mannschaftswagen der Polizei in die ungeteerte Seitenstraße ab, die nach
Fad führte. Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Falls das die Kommissarin
war und sie mich hier im Gespräch mit der Frau Böhm sah, würde ich gleich
wieder Schwierigkeiten mit ihr bekommen. Mann! So ein Mist! Sollte ich mich in
der Scheune verstecken? Aber dann würde sie mich bemerken, wenn ich dorthin
lief. Das wäre auch blöd. Also musste ich in den sauren Apfel beißen und
standhaft stehen bleiben.
Frau Böhm war inzwischen ebenfalls auf das Polizeiauto aufmerksam
geworden. Schließlich machte es einigen Lärm, als es mit überhöhter Geschwindigkeit
durch die Schlaglöcher bretterte und die Steine unter den Rädern wegspritzten.
Wir drehten unsere Köpfe in stummem Gleichklang und beobachteten, wie der
Mannschaftswagen ohne eine Spur langsamer zu werden an uns vorbeifuhr und nach
zweihundert Metern beim Nachbarn hielt. Kaum hatte der Wagen angehalten, wurden
die Türen aufgerissen und vier Polizisten sprangen heraus. Bei einem sah es
nicht ganz so schneidig aus wie bei den anderen. Ah ja, das war der Herr
Grieshuber. Der Polizeiobermeister unserer Inspektion. Und als wäre das noch
nicht genug Action für Fad gewesen, hüpfte ein Schäferhund hinterher.
»Was ist denn da los?«, rief ich aus.
»Werd wegn am Lucki sei.« Geplättet schaute ich zur Frau Böhm. Mit
einer Antwort hatte ich nicht gerechnet.
»Wegen dem Lucki? Wer ist das?«
»Na, da Sohn vom Bernwieser halt.« Anscheinend hätte ich ihn kennen
müssen.
Ich wandte meinen Blick wieder dem Geschehen beim Nachbarn zu und
fragte beiläufig. »Aha. Kommt da öfter die Polizei?«
»Mei, halt.«
Diese erschöpfende Auskunft registrierte ich kaum. Der
Polizeieinsatz, der in jeder Vorabendserie nicht besser hätte gespielt werden
können, nahm meine ungeteilte Aufmerksamkeit in Anspruch. Drüben wurde laut an
die Tür geklopft. Das konnte ich sogar bis hierher hören. Befehle, sofort die
Tür zu öffnen, hallten herüber. Der Schäferhund kläffte nervös. Nach einer
ganzen Weile wurde zögerlich die Haustür aufgemacht, und ein Jugendlicher stand
unsicher vor den Polizisten. Diese redeten auf ihn ein, schoben ihn dann
beiseite und betraten entschlossen das Haus. Ich klappte meinen Mund auf, um
bei Frau Böhm nachzufragen, und war im Begriff meinen Kopf zu ihr zu drehen. Da
fiel mein Blick auf eine Bewegung an der Rückseite des Anwesens. Jemand
schickte sich an, herauszuschleichen. Ebenfalls ein junger Kerl. Mit Basecap
und den üblichen zu weiten Jeans. Er duckte sich, wartete einen Moment, blickte
sich ängstlich um und lief gebückt auf das junge Maisfeld zu, das gleich hinter
dem Haus begann. Die gut einen Meter hohen Maispflanzen wedelten stürmisch hin
und her. Man konnte deshalb wunderbar verfolgen, wie der Typ durchs Feld
rannte. Erst geradeaus, dann nach links. Weiter hinten war ein Wald. Da wollte
er wahrscheinlich hin. Die Blätter beruhigten sich. Bald war nichts mehr zu
sehen.
»Was war mit dem Lucki?« Ich wandte mich wieder Elviras Mutter zu.
Erfolglos. Frau Böhm war verschwunden und hatte die Tür hinter sich
geschlossen. Na so was! Ich zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hätte ich
eh nichts Vernünftiges von ihr erfahren. Ich schaute zum Nachbarhaus hinüber.
Keine Polizisten in Sicht. Ich hörte nur den Hund dumpf bellen. Da hatte ich ja
Glück gehabt und war bei meinen Erkundigungen nicht aufgeflogen. Das sollte ich
jedoch nicht überreizen. Also nahm ich mein Rad von der Scheunenwand und machte
mich auf den Heimweg.
Freitag, den 19. Juni
Zehn Uhr zehn
Eigentlich, ja eigentlich wollte ich heute Vormittag nicht ins
Heim gehen. Ich würde ja abends zu der Vernissage wieder dort sein und musste
auch noch so einiges erledigen und einkaufen.
Ich konnte es jedoch nicht lassen.
Gleich im Foyer stolperte ich sozusagen
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