Unguad
darüber nichts sagen.‹ Er meinte nur: ›Gut, Herr von
Markovics, setzen Sie sich‹, und machte sich einen Eintrag in sein Notenbuch.
Als er wenig später für eine Weile aus dem Klassenzimmer geholt wurde, bin ich
nach vorne gelaufen und hab in sein Notenheft geschaut. Da stand neben meinem
Namen ein kleines ›n‹ wie › nem ‹, oder ›nichts
gewusst‹. Er hatte noch keine Note eingetragen. Also hab ich am Nachmittag
gelernt und gelernt. Und am nächsten Tag hat er mich wieder aufgerufen und mir
dieselbe Frage gestellt. Da konnte ich ihm alles auswendig aufsagen. Er hat mit
dem gleichen ruhigen Ton gesagt: ›Gut, Herr von Markovics, setzen Sie sich.‹
Seit diesem Tag habe ich immer gelernt. Und am Ende des Schuljahres hat er
gefragt, ob sich noch jemand verbessern möchte. Den würde er jetzt ausfragen.
Da hab ich mich gemeldet. Aber er hat nur gesagt: ›Herr von Markovics, Sie
können sich nicht mehr verbessern.‹«
Die Erinnerung hatte Tibor eine Träne in seine Augen getrieben, die
er nun verschämt wegwischte. Dafür waren die von Anna getrocknet.
»Na, sehen Sie, kleines Fräulein, man darf nie aufgeben.« Damit
stützte er sich auf seinen Stock und wollte aufstehen, was ihm schwerfiel. Das
Mädchen sprang auf und half ihm. Sie lächelten sich an.
»Behalten Sie das Taschentuch! Und Kopf hoch, Sie werden eine gute
Altenpflegerin!«
»Meinen Sie?«
»Ja, ganz bestimmt.« Er tätschelte ihre Hand. »Jetzt muss ich wieder
zurück, mich ein wenig ausruhen.«
»Warten Sie, ich begleite Sie.« Im Lift fasste sie sich ein Herz.
»Herr von Markovics, ich muss für meine Schule einen Lebenslauf von einem
Heimbewohner schreiben. Darf ich da zu Ihnen kommen? Sie können so schön
erzählen.«
»Natürlich, Anna, kommen Sie nur.«
Vierzehn Uhr dreißig
Kriminalkommissarin Langenscheidt ließ Frau Imhoff zu sich in
deren Zimmer kommen.
»So, Frau Imhoff, die Abstellkammer kann wieder benutzt werden.
Kommissar Braun entfernt gerade das Siegel. Außerdem räume ich für heute Ihr
Büro. Ich habe außerhalb des Heimes zu tun. Insofern kann Ihr normaler Betrieb
aufgenommen werden. Das wird Sie sicherlich freuen.«
»Sicherlich. Wissen Sie denn nun, wer der Mörder ist?« Frau Imhoff
konnte sich schon denken, dass noch kein Ermittlungserfolg zu feiern war, denn
es war noch niemand verhaftet worden. Aber diese kleine Spitze konnte sie sich
gegenüber der eingebildeten Kommissarin nicht verkneifen. Bei ihrer Frage
verzog sie ihr reizloses Gesicht zu einem süßlichen Lächeln.
Frau Langenscheidt erwiderte ihren Blick mit ausdrucksloser Miene.
»Während eines Ermittlungsverfahrens werden keine Informationen an
Außenstehende abgegeben.« Damit hatte sie den Übermut der Imhoff gedämpft. Sie
stand auf, nahm ihre Aktentasche und verließ das Zimmer.
Frau Imhoff seufzte erleichtert auf. Jetzt hatte sie erst mal ihr
Büro zurück. Sie hasste es, wenn jemand in ihr Territorium eindrang. Da fiel
ihr noch etwas ein. Sie riss die Tür auf und hastete der Langenscheidt
hinterher. Die stand im Foyer bei der Eingangstür und redete mit Kommissar
Braun.
»Nur eine Frage!«
»Ja?«
»Morgen veranstaltet die Malerin Isabell Chiara bei uns ihre
Vernissage. Ist das okay oder muss ich sie absagen? Das wäre sehr unschön, denn
die Einladungen sind natürlich schon lange verschickt, und ich müsste alle
einzeln anrufen und …«
»Die Vernissage kann selbstverständlich stattfinden. Von unserer
Seite bestehen keinerlei Einwände.« Kommissarin Langenscheidt hatte dem
Redeschwall ein Ende setzen müssen. Diese hohe Stimme ertrug sie nur
grenzwertig.
»Na, dann ist es ja gut. Sie sind selbstredend auch eingeladen. Und
Sie natürlich ebenfalls«, wandte sich die Imhoff an Kommissar Braun.
Die Kommissarin schüttelte über diese Anmaßung den Kopf. Frau Imhoff
schien immer noch nicht verstanden zu haben, dass sie im Rahmen der
Ermittlungen keine Einladung benötigten. Aber sie war es leid, es dieser Frau
zu erklären. »Wir werden da sein. Dienstlich, versteht sich.«
»Doch nicht in Uniform!« Frau Imhoff war entsetzt. Sie hatte diese
Einladungen nur der Form halber ausgesprochen. Nie hätte sie gedacht, dass die
Polizisten Interesse zeigen würden. Jetzt hatte sie den Salat!
»Sehen Sie uns im Moment in Uniform?«
Vierzehn Uhr fünfundvierzig
Frau Imhoff machte es sich in ihrem Büro wieder heimisch, indem
sie den Locher hierhin und den Tacker dorthin verschob. So konnte sie diese
unerquickliche Wendung des
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