Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
Vom Netzwerk:
schwimmbadtürkis gewesen. Wahrscheinlich
war diese Farbe im Angebot gewesen. Was sollte es sonst für einen Grund geben,
seinen Augen so etwas anzutun. Nun blätterte der Putz in zeitungsgroßen Flecken
ab. Außerdem hatte stürmisches Wetter den Schlamm von dem trostlosen Vorgarten
an die Mauern gespritzt. Das konnte nur als Verbesserung betrachtet werden.
Zwischen den Brennnesseln gackerte das obligatorische Federvieh. Ich stellte
mein Fahrrad neben die windschiefe Holzscheune und hielt nach einem Hofhund
Ausschau. Obwohl ich selbst Hundebesitzerin war, hatte ich vor Hunden auf
abseits gelegenen Bauernhöfen einen Heidenrespekt. Aber keiner stürzte sich
zähnefletschend auf mich.
    Ich ging zur Haustür und stand vor dem nächsten Problem. Es gab
keine Klingel. In bäuerlichen Gepflogenheiten nicht bewandert, hatte ich
Skrupel, einfach das Haus zu betreten. Also suchte ich erst einmal draußen nach
der Hausfrau und ging um die Ecke in den Hof hinein. Noch mehr alte Scheunen,
die offensichtlich nicht benutzt und instand gehalten wurden. Rostige Eggen und
sonstige landwirtschaftliche Gerätschaften, die ich nicht zuordnen konnte,
warteten auf erdverkrusteten Betonböden. Ein in die Jahre gekommener
mintfarbener Fiat Punto lugte mit seiner eingedellten Schnauze aus einem
hinteren Scheunentor. Die Farbe Grün in jeder Schattierung schien hier sehr
beliebt zu sein. Eine getigerte Katze sprang von einer Regentonne und lief mit
steil aufgerichtetem Schwanz auf mich zu. Ihr Fell schaute räudig aus, und ihr
rechtes Auge war von Eiter verklebt. Ich wich erschrocken zurück. Nein, ich
möchte dich nicht streicheln!
    So wurde ich von einer Katze aus dem Hof gejagt und fand mich auf
der Vorderseite des Sacherls wieder. Gerade wollte ich mir ein Herz fassen und
doch an der Haustür klopfen, da wurde sie schwungvoll aufgerissen, und eine
ältere Frau stand vor mir. Einen halben Kopf kleiner als ich, dafür aber von
dreifachem Umfang. Ein grünes T-Shirt – wie sollte es auch anders sein – unter
der einst sauberen Kittelschürze, Hose, speckige Hausschuhe. Ich schätzte sie
auf Anfang sechzig, und als ich in ihre kalten blauen Augen schaute, wusste
ich, dass ich die Mutter von Elvira vor mir hatte.
    Bis jetzt hatten wir uns nur angestarrt. Ich versuchte es mit einem
liebenswürdigen Gesicht und einem »Grüß Gott«.
    Ein angedeutetes Nicken. Ihre Miene war immer noch finster. Meine
Güte! Die Frau hatte ja auch gerade erst ihre Tochter auf brutale Weise verloren.
Karin, sei nett!
    »Hallo, Frau Böhm. Ich heiße Karin Schneider und kenne Ihre Tochter
aus dem Altenheim. Sie hat sich um meine Eltern gekümmert.« Immer noch keine
Reaktion bei meinem Gegenüber.
    »Ihr plötzlicher Tod hat mich erschüttert.« Die genauen Umstände
wollte ich nicht ausbreiten. »Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen. Das
muss schlimm für Sie sein.«
    Bei den letzten Worten zog ich meine Stimme ein wenig nach oben,
eine Frage andeutend. Aber es nützte nichts. Frau Böhm wollte nicht mit mir reden.
    Entweder ich mutierte jetzt in dreister Weise zur Ermittlerin, oder
ich ging wieder. Doch klein beigeben war nichts für mich. Daher wagte ich den
Vorstoß: »Können Sie sich denn vorstellen, warum Ihre Tochter getötet wurde?«
    Frau Böhm rieb sich ihre beachtliche rote Nase. Ihre Augen unter den
schwarzen Balken der Brauen zwinkerten. Dann öffnete sie den Mund und ließ ein
lang gezogenes »Naaa« entweichen.
    Puh. Ein Schwall alkoholgeschwängerten Atems waberte mir entgegen.
Es war angenehmer gewesen, als sie noch geschwiegen hatte. Das sah ich jetzt
ein. Nun konnte ich außerdem ihren Blick besser einordnen. Sie gab sich alle
Mühe, um mich deutlich zu erkennen und ohne zu schwanken vor mir zu stehen. Oh,
là, là!
    Hatte es einen Zweck, weiter zu fragen? Ach, was soll’s! Ihr Zustand
hatte auch Vorteile. Dann musste ich mich nicht mit langen Erklärungen und
Vorreden aufhalten. Das war in meinem Sinn. »Hatte Ihre Tochter einen Freund?«
    Sie stierte mich an. Kam eine Antwort?
    »Naaa.« Sie rülpste.
    Meine Herren!
    »Hatte sie Schwierigkeiten in der Arbeit?«, startete ich den
nächsten Versuchsballon. Mir war egal, dass sie mich womöglich für unverschämt
hielt. Morgen würde sie sich nicht einmal mehr an meinen Besuch erinnern.
    Sie beugte ihren Oberkörper nach vorne. Ihr Gesicht näherte sich
meinem, und ich wich zurück. Diese Ausdünstungen waren ja widerlich.
    »San S’ von der Polizei?«
    Ich überlegte tatsächlich, was

Weitere Kostenlose Bücher