Unguad
falschen
Tabletten erzählt, die ihm die Marion geben soll.«
Wir wandten beide unsere Köpfe zu Mama hinüber. Aber keine Gefahr
von Aufregung, sie war wieder in ihre Rätsel vertieft.
»Wie das?«
»Ich habe es nicht so genau verstanden. Er wahrscheinlich auch
nicht. Er wird seinen Arzt fragen.«
»Das wird das Beste sein. Hat eure Agatha-Christie-Gang schon
irgendwas wegen Elvira herausgefunden?«
»Pardon? Ach, du meinst Frau von Hohenstein, Frau Wieland, Frau Lehner
und mich. Mehr Respekt, bitte schön! Aber nein, wirklich früchtetragend waren
unsere Ermittlungen bis jetzt noch nicht. Weißt du etwas Neues?«
»Ja. Tatsächlich.« Es war mir peinlich, mit meinem Vater darüber zu
reden. »Wusstest du, dass … hm … der Hecker mit der Elvira ein Verhältnis
hatte?«
»Nein!« Ich konnte zusehen, wie mein Vater den Sinn dieser Worte
bildlich erfasste.
»Doch. Ich weiß zwar auch nicht, ob das mit dem Mord zusammenhängt,
aber interessant ist es schon. Nicht wahr?«
»Hm.«
»Was meinst du?«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»Ja, tu das. Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Muss noch
einkaufen, bevor die Kinder kommen. Seid ihr übrigens auch bei der Vernissage
von Isabell?«
»Ah, ist das heute? Um sieben, nicht wahr? Vielleicht, wenn wir
nicht schon zu müde sind. Wartet nicht auf uns.«
»Kommt! Isabell würde sich freuen. Und wir natürlich ebenso. Aber
jetzt muss ich gehen. Tschüss, Mama.«
Meine Mutter tauchte aus ihren geordneten Rätselwelten auf. »Ciao,
Karin, und Bussis für die Kinder.«
Neunzehn Uhr
Wir hatten uns alle schick gemacht. Meinen zwei großen Mädels
hatte ich das nicht extra sagen müssen. Sie verbrachten freiwillig viel Zeit
vor dem Spiegel und probierten an ihren blonden Haaren die neuesten
Frisurentipps aus ihren Zeitschriften aus. Vicky war auch weniger jungenhaft als
früher. Inzwischen kannte sie den Unterschied zwischen ordentlich und
unordentlich und wollte zum Beispiel nicht mehr in ihren übelsten
Pferdestallklamotten mit ins Restaurant. Ein Fortschritt! Nur Linus musste
seinen Außenseiterstatus in der Familie immer wieder verteidigen. Es war
absolut uncool, mal ein schönes, gebügeltes Hemd zu tragen. Er hielt sich für
einen Surfer und zog seinen Stil durch. Das hieß, er hatte auch heute
verwaschene Jeans, ein knallbuntes T-Shirt und abgewetzte Sneakers an. Seine unzähligen
Stoff-, Leder- und Freundschaftsbänder um sein Handgelenk konnte er natürlich
auch nicht abnehmen. Ich hoffte sehr auf eine Freundin.
Aber von so etwas ließ ich mir schon lange nicht mehr meine Laune
verderben. Ich hatte mir extra für diesen Anlass ein neues Kleid gekauft und
fand mich umwerfend. Mit dem richtigen Schnitt konnte man wunderbar kleinere
Pölsterchen verbergen. Wirklich praktisch. Meine braunen Haare hatte ich zu
einer Hochfrisur aufgesteckt, aus der sich einzelne Locken frech hervorstahlen.
Meinem Ehemann hatte ich auch gleich ein neues Hemd mitgebracht, in dem er sehr
elegant aussah. Das dunkle Anthrazit brachte seine blauen Augen eindrucksvoll
zur Geltung. So groß gewachsen, wie er war, konnte er mit seinen blonden Haaren
glatt als Schwede durchgehen.
Nun standen wir hier also als Vorzeigefamilie im Foyer des Hauses
Sonnenhügel, mit einem Glas Sekt in der Hand, geistreich über die
Farbkomposition der Bilder meiner Freundin Isabell Chiara plaudernd. Perfekt.
Erfreulicherweise waren viele Leute der Einladung gefolgt. So an die
vierzig herausgeputzte Menschen drängten sich um den Tisch mit den Kanapees und
warteten auf den Startschuss. Auch ein paar Angestellte des Heims verbrachten
ihren Feierabend sozusagen am Arbeitsplatz. Ich erkannte Schwester Marion und
Kerstin. Vorhin waren sogar die Kriminalkommissare Langenscheidt und Braun zur
Tür hereingekommen. Frau Kommissarin im Münchner Understatement-Chic mit
schwarzem Wildseidenkleid. Am Rocksaum spitzte Chiffon hervor. Eine verspielte
Note im strengen Ensemble. Ganz mein Geschmack! Ich musste sie unbedingt
fragen, woher sie dieses Kleid hatte. Denn dass es nicht von der Stange kam,
erkannte ich auf den ersten Blick.
Nach der Eröffnungsansprache der Imhoff und der wortgewandten
Laudatio unseres Bürgermeisters mischte sich das Volk. Man flanierte hierhin
und dorthin, traf Bekannte, gratulierte der Künstlerin, begutachtete die
Bilder. Ich liebte Vernissagen!
Nachdem ich Isabell beglückwünscht hatte, kam ich wie aus Versehen
neben der Frau Kommissarin zu stehen. Da konnte ich gleich meine
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