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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich
möchte ja nur das Beste für Ihre Eltern. Soll ich Sie über den Termin
informieren?«
    »Ja, Frau Imhoff, tun Sie das.« Damit erhob ich mich. »Wir sehen uns
ja bestimmt auf der Vernissage, nicht wahr?« Ich hielt es mit ihr keine Sekunde
länger in einem Raum aus. Geräuschvoll ließ ich die Tür hinter mir zufallen.
    Elf Uhr dreizehn
    Wütend stürmte ich durchs Haus. Isabell war schon weg, sonst
hätte sie sich gleich meinen adrenalingesteuerten Ausbruch anhören dürfen. So
war ich auf dem Weg zu meinen Eltern.
    Ich nahm gewohnheitsmäßig die Treppe, und das war auch gut so, denn
auf diese Weise konnten die Stresshormone abgebaut werden. Bis ich bei der
Zimmertür meiner Eltern angekommen war, war ich schon wieder einigermaßen im
normalen Bereich. Ich atmete tief durch und klopfte an.
    Mein Vater telefonierte gerade. Ich schloss die Tür, begrüßte meine
Mutter, setzte mich und wartete darauf, dass er das Gespräch beendete.
    »So ist das nun mal in einem Mordfall, Annemarie. Da muss die
Polizei allen Spuren nachgehen. Ja, ja. Schließlich warst du zur Tatzeit im
Haus. Nun. Es hat ja nicht wehgetan, oder? Genau. Staatsbürgerliche Pflicht.
Annemarie, ich muss jetzt Schluss machen, Karin ist gerade gekommen. Ja, werde
ich. Auf Wiederhören.«
    Mein Vater legte auf. »Das war deine Cousine Annemarie. Schönen
Gruß.«
    Das hatte ich mir schon gedacht. »Und sie hat sich darüber
aufgeregt, dass die Polizei sie befragt hat.«
    »Richtig. Sie kann ein entsetzlicher Plagegeist sein.« Er seufzte.
    Ich grinste ihn an. »Vielleicht hat sie ja was zu verbergen?«
    Mein Vater sah mich zweifelnd an, dann fing auch er zu feixen an.
»Wie war das damals mit dem Pfarrer in der Sakristei?«
    Wir lachten über den alten Familienwitz. Diese Anspielung hatte
unsere gute Laune wiederhergestellt.
    Obwohl. Was mein Vater mir danach über den Hecker erzählte, fand ich
alles andere als erheiternd. Der Kerl war mir unheimlich und hatte bei Mama
nichts zu suchen!
    Mich interessierte, was sie dazu zu sagen hatte. Ich ahnte es schon.
Aber auf diese Weise wollte ich meine Mutter auf den Arztbesuch vorbereiten.
Mit List und Tücke, wie ich zugeben musste.
    »Was wollte der Hecker denn gestern bei dir im Zimmer?«
    »Der Hecker?«
    »Ja, Mama.«
    »War er bei mir?«
    »Ja, Mama.«
    Keine Antwort.
    »Und was wollte er von dir?«
    »Wer?«
    »Der Hecker.«
    »Das weiß ich doch nicht!«
    Ich seufzte. Anderes Thema. »Was hast du heute gefrühstückt?«
    »Das Übliche.«
    »Und was ist das Übliche?«
    »Nun, Brot, Butter, Marmelade und Kaffee.«
    »Und was gab’s gestern zu Abend?«
    »Zum Abendessen?«
    »Ja, zum Abendessen.«
    »Karin, jetzt ist aber genug! Was bezweckst du mit deinen törichten
Fragen?« Mein Vater ging in Angriffsstellung.
    »Ich finde nur, dass das Gedächtnis von Mama immer schlechter wird
und …«
    »Das wissen wir selbst«, grummelte Tibor.
    »Mein Gedächtnis? Mein Gedächtnis funktioniert bestens! Schließlich
löse ich jedes Kreuzworträtsel!« Magdalena wusste nicht, wo hier ein Problem
bestehen sollte. »Oder kennst du die Hauptstadt der Ukraine? Hm? Hm? Nein? Aber
ich: Kiew!« Sie hatte beleidigt ihre Brille auf ihr Heft geworfen.
    Ich versuchte es noch einmal: »Mama, gib doch zu, dass du vieles
vergisst. Ich möchte ja nur mit dir zu einem Arzt geh…«
    »Zu einem Arzt? Schmarrn! Ich brauche keinen Arzt!«
    »Durchaus. Der kann dich untersuchen und dir Medikamente geben, die
deine Gedächtnisleistung unterstützen.« Ich hasste solche Gespräche.
    »Ich nehme keine Medikamente! Das ist alles Unsinn!«
    »Nein, ist es nicht! Papa, sag doch auch mal was dazu!«
    Mein Vater sah angeschlagen aus. »Wir haben andere Sorgen als die
Merkfähigkeit von Magdalena.«
    »Was meinst du?«
    »Na, Elvira zum Beispiel.«
    »Was ist mit Elvira?« Ich bedachte meine Mutter mit dem Na, bitte! -Blick. Es war sinnlos.
    »Der Fall ist bis jetzt nicht gelöst.« Was, um Mama nicht zu
beunruhigen, verklausuliert heißen sollte: Der Mörder läuft immer noch frei
unter uns herum.
    »Ja, stimmt.« Das hatte wohl wirklich Vorrang. Also würde ich meine
Mutter vorerst in Ruhe lassen. Sie war eh unbelehrbar und stur geworden.
    Mama merkte, dass sie nicht mehr in Gefahr war, zu einem Arzt
geschleppt zu werden, und nahm zufrieden ihren Kugelschreiber in die Hand. Das
Rätselheft lag sowieso schon aufgeschlagen vor ihr.
    »Außerdem hat mir der Szabó gestern eine Räuberpistole von

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