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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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ältere Dame dort drüben, die sich mit der Künstlerin unterhält?«
    »Wie? Ach so. Das ist Heidemarie Wieland. Eine der guten Seelen des
Altenheims. Sie ist ehrenamtlich tätig. Kommt regelmäßig hierher, um den
Senioren etwas vorzulesen oder einfach mit ihnen zu plaudern. Die Schwestern
haben dafür ja gar keine Zeit mehr. Und wenn jemand keine Angehörigen hat, kann
es wohl schon ziemlich einsam sein.«
    »Dass sich heutzutage immer wieder Menschen in unserer
schnelllebigen Welt für ihre Mitmenschen engagieren, ist doch sehr tröstlich.«
    Dieser Meinung war ich auch. Da fiel mir etwas ganz anderes ein.
»Wenn wir hier schon so schön beieinanderstehen: Woran ist Elvira denn
eigentlich gestorben?« Steter Tropfen macht auch eine Kommissarin mürbe, dachte
ich mir.
    Der Blick von Frau Langenscheidt wurde kühl. »Bis jetzt habe ich
noch keinen Autopsiebericht. Ich erwarte ihn aber für Montagmorgen.«
    »Aha.«
    Sie nickte mir zu und wanderte mit ihrem Glas weiter.
    Dreiundzwanzig Uhr vierzig
    Ich habe ihn nicht danach gefragt.
    Im Film taten das die klugen Ehefrauen auch nie. Die Klugen fragten
nicht, unternahmen etwas Kluges und behielten den Mann. Die Dummen stellten
Fragen, bekamen die Antwort, die sie nicht hören wollten, knallten durch und
erstachen ihn.
    Im Moment lag ich schlaflos im Bett, neben mir schnarchend mein
Ehemann, der mit der hübschen Schwester heimlich Zettel tauschte, und mir wäre
eher nach Durchknallen gewesen. Aber das würde ich nicht machen! Nein! Auf
keinen Fall! Ich hatte mein Temperament im Griff! Obwohl mich das wirklich
schon hehre Anstrengung kostete, schließlich war ich eine explosive Mischung
aus Ungarn und Sizilien. Am Anfang unserer Ehe hatte Martin das öfter zu spüren
bekommen. Ich war nicht eifersüchtig. Gott bewahre! Ich hatte es nur nicht
gemocht, wenn er mit fremden Frauen getanzt hatte. Oder geschäkert. Oder
geredet.
    Zu Hause musste er sich dann etwas anhören! Jöh! Mária
és József! Porca miseria! Am schönsten waren – wie konnte es auch anders
sein – die ebenso temperamentvollen Versöhnungen.
    Heutzutage jedoch, nach vielen glücklichen Ehejahren, war mein
Selbstwertgefühl gesichert, vertraute ich meinem Mann voll und ganz.
    Und platzte gleich vor Wut!
    Allerdings – ich hielt mich zurück. Versuchte, abgeklärt zu bleiben.
Ruhig Blut. Nichts überstürzen. Einen kühlen Kopf bewahren.
    Aber es war nutzlos! Ich konnte nicht denken, wenn die Wut in meinem
Bauch brodelte wie ungarisches Pörkölt. Ich warf die Decke von mir und sprang
aus dem Bett. Martin veränderte seinen Schnarchrhythmus. Etwas vorsichtiger –
er sollte ja keinesfalls aufwachen – schlich ich zu dem Stuhl, auf dem er seine
Klamotten drapiert hatte. Nahm seine Hose. Die Gürtelschnalle klirrte. Pst! Und
machte mich auf Zehenspitzen auf den Weg in unser Badezimmer. Schloss leise die
Tür und schaltete das Licht an. Uh, wie hell!
    Ich setzte mich mit meiner Beute auf die Badewanne. Fingerte zuerst
in der einen Hosentasche. Fehlanzeige. Dann in der anderen. Ah, der Zettel. Ich
zog ihn heraus, drehte ihn um. Eine Visitenkarte. Von Schwester Marion.
Adresse. Telefonnummer. So weit nichts Ungewöhnliches. Sie hatte jedoch
handschriftlich noch etwas vermerkt: »Mo, 15 h«. Was selbstverständlich
»Montag, fünfzehn Uhr« bedeutete. Klar. Aber was sollte da passieren? Trafen
sie sich da? In ihrer Wohnung? Und wozu? Laut atmend meinte ich, wütend-heiße
Rauchwolken auszustoßen. Am liebsten wäre ich in das Schlafzimmer gestürmt,
hätte ihm seine Beinkleider um die Ohren gehauen und meinen Ärger
herausgeschrien.
    Nein, das würde ich nicht tun! Ich war erwachsen. Handelte
durchdacht. Ich würde den Zettel zurückstecken, die Hose auf den Stuhl legen
und abwarten. Abwarten und beobachten. Ich würde eine kluge Ehefrau sein.

Samstag, den 20. Juni
    Zwei Uhr zwanzig
    Adam Hecker hatte schon wieder Nachtdienst. Das war ihm lieber.
Die anderen mochten ihn nicht. So war es schon immer gewesen. Immer. Früher in
der Schule. Wenn er wieder mal verprügelt nach Hause gekommen ist, hat die
Pflegemutter ihm auch noch eine runtergehauen. Aber nur bis er dreizehn war. Da
hat er dann zurückgehauen. Das war ihr eine Lehre. Da war Ruhe.
    Die hier redeten nicht mehr mit ihm. Schauten ihn so blöd an.
Machten einen Zirkus, wenn er in ein Zimmer ging, in das er angeblich nicht
durfte. Die hatten ihm gar nichts zu sagen! Adam Hecker patrouillierte durch
den nächtlich ruhigen Gang. Unbeobachtet bohrte er

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