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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fuhr schließlich mit den
Fingerspitzen über die Rücken der zwei oder drei Dutzend Bücher, die ordentlich
nach dem Alphabet geordnet in dem schmalen Regal daneben standen. Sie hatte
jedes Einzelne davon zur Hand genommen und zumindest durchgeblättert, in
manchen davon auch gelesen, aber auch daran war nichts irgendwie
Außergewöhnliches … abgesehen vielleicht davon, dass die Zusammenstellung ein
wenig abenteuerlich war. Ein wüster Trip durch nahezu alle Literaturgattungen,
der zeigte, dass Lea ihren Geschmack noch nicht gefunden hatte: Die schon fast
obligatorische Ausgabe von Tolkiens Herrn der Ringe, die man als Teenie eben zu
haben hatte (und selbstverständlich abgöttisch zu verehren), zwei oder drei
Romane von Stephen King und ein paar schmale Lyrikbände, aber auch Romane von
Barbara Wood und Charlotte Link, eine ganze Anzahl Bücher über alternative
Lebensweisen und natürliche Ernährung (auch diese Phase hatte Lea bereits
hinter sich gehabt, und sie hatte zu Sylvias unverhohlener Erleichterung nicht
einmal sehr lange gedauert, auch wenn sie dafür umso intensiver gewesen war)
und – auch das vollkommen normal für ein Mädchen in ihrem Alter – ein bisschen
Esoterik und anderer Hokuspokus. Die meisten dieser Bücher waren ihr mittlerweile
so vertraut, als wären es ihre eigenen.
    Conny nahm wahllos einen der Bände heraus und begann darin zu
blättern – es war ein Buch über Hexerei nach dem Motto: Wie schaffe ich es,
dass der nette Typ aus der Parallelklasse mich ins Kino einlädt, obwohl er doch
eigentlich mit der Rothaarigen geht? –, stellte es mit einem Lächeln zurück und
nahm ein anderes Buch aus dem Regal.
    Dann fiel ihr doch etwas auf. Wahrscheinlich war es nur ein Zufall,
aber möglicherweise auch nicht.
    Sie stellte das Buch zurück, nahm noch einmal den Band über Hexerei
zur Hand und schlug etwas nach, und dann verbrachte sie die nächsten gut zehn
Minuten damit, Leas kleine Bibliothek Stück für Stück zu sichten.
    Als sie damit fertig war, kam Sylvia herein. Sie wankte jetzt
sichtbar, und auch ihre Stimme klang hörbar schleppender als vorhin. Sie hatte
entweder weiter getrunken, oder die beiden Gläser, die sie gerade
heruntergestürzt hatte, entfalteten allmählich ihre Wirkung. Vielleicht auch
beides. »Na, hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«
    Conny ignorierte den feindseligen Unterton in ihrer Stimme und hob
nur möglichst gleichmütig die Schultern. »Ich bin nicht einmal ganz sicher,
wonach ich suche«, gestand sie.
    Sylvias Blick tastete über das Regal, und die steile Falte direkt
über ihrer Nase wurde noch tiefer. »Das sieht aber nicht nach nichts aus«,
sagte sie. Tatsächlich hatte Conny die Bücher auf den Regalbrettern zwar
pedantisch wieder an ihren Platz zurückgestellt, aber vielleicht ein halbes
Dutzend davon nicht ganz nach hinten geschoben, um es zu markieren.
    Â»Es stimmt«, gestand Conny. Sylvias Blick wurde fragend. »Mir ist
etwas aufgefallen«, fuhr sie mit einem nervösen Lächeln und einem abermaligen
Schulterzucken fort. »Ich weiß nicht, ob es etwas bedeutet – Lea hat immer viel
gelesen, nicht wahr?«
    Sylvia nickte. Warum stellte sie diese Frage? Conny selbst hatte Lea
mindestens ein Dutzend Bücher geschenkt, wenn nicht mehr, und noch ungleich
mehr ausgeliehen.
    Â»Bis vor ungefähr zwei Jahren?«, fuhr Conny fort. Sie kam Sylvias
Antwort mit einer raschen Handbewegung zuvor. »Nein, ich weiß, sie hat auch
weiter gelesen … aber ist dir vielleicht aufgefallen, dass sich etwas an dem
geändert hat, was sie gelesen hat?«
    Auch diesmal wartete sie Sylvias Reaktion nicht ab, sondern machte
eine zweite, deutende Geste auf das Bücherregal. »Keines dieser Bücher ist
jünger als zwei Jahre«, stellte sie fest. »Mit Ausnahme von diesen.« Sie
deutete nacheinander auf die Handvoll Bände, die sie herausgezogen hatte.
»Fällt dir etwas auf?«
    Es verging eine kleine Weile, bis sich Sylvias Blick auch nur von
ihrem Gesicht löste und dann – widerwillig – über die Titel auf den Buchrücken
tastete. Sie runzelte angestrengt die Stirn, schüttelte dann aber den Kopf.
»Nein.«
    Â»Hexerei für Anfänger«, las Conny vor. »Das Geheimnis des
Vampirismus. Leben nach dem Tod.« Sie legte fragend den Kopf auf die

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