Unheil
so
bizarr, dass es sie zuerst einfach lähmte und ihre Hände und Knie zu zittern
begannen. Die Bücher, die sie immer noch unter dem linken Arm trug, entglitten
ihr und fielen zu Boden. Sie war nicht einmal in der Lage, sie aufzufangen,
geschweige denn, sich danach zu bücken.
Jemand anderes tat es für sie.
»Sie sollten ein bisschen besser darauf achtgeben, meine Liebe«,
sagte Trausch, während er sich wieder aufrichtete und ihr mit der linken Hand
die Bücher reichte, die sie fallen gelassen hatte. »Für Sie sind es vielleicht
nur Bücher, aber für Ihre Freundin bedeuten sie vermutlich Erinnerungen von
unersetzlichem Wert.«
Conny starrte ihn zwei oder drei Sekunden einfach nur an. Es war
erst einen Augenblick her, seit sie das Haus verlassen hatte, und in dem
Zustand beginnender Paranoia, in dem sie es getan hatte, hatte sie sich sehr aufmerksam umgesehen. Niemand hatte hinter ihr
gestanden. Niemand hatte sich auch nur im Umkreis von dreiÃig oder vierzig
Metern von ihr befunden, und es war schlichtweg unmöglich ,
dass er so schnell herangekommen war, ohne dass sie es bemerkt hätte. Aber er
war da, stand gerade einen Meter neben ihr und wartete geduldig lächelnd
darauf, dass sie die Bücher aus seiner ausgestreckten Hand nahm. SchlieÃlich
tat sie es, wobei sie schon beinahe panisch darum bemüht war, ihn nicht zu
berühren; als wäre er für sie plötzlich beinahe ebenso irreal und bedrohlich
wie Vlad.
Der Gedanke machte sie zornig auf sich selbst, aber auch auf ihn.
»Observieren Sie mich?«, stieà sie hervor.
»Wenn ich das täte, dann hätten Sie mich kaum bemerkt«, antwortete Trausch
gelassen. Er schien keinen Anstoà an ihrem feindseligen Ton zu nehmen. »Und
warum sollte ich auch?«
»Sagen Sie es mir.« Conny strich glättend mit der linken Hand über
den Einband eines Buches. Er war geknickt, und sie machte sich schmerzhaft
klar, dass er recht hatte: Für sie mochten es nur ein paar Bücher sein, für
Sylvia bedeuteten sie alles, was von Leas Leben noch übrig geblieben war.
»Ich observiere Sie nicht«, antwortete er, nun doch in leicht
verstimmtem Tonfall. »Ich wüsste keinen Grund. Oder fällt Ihnen einer ein?«
»Dann ist es ein reiner Zufall, dass Sie ausgerechnet jetzt hier
auftauchen, nehme ich an«, sagte Conny spöttisch. »Die Welt ist klein, nicht
wahr?«
»Nein«, antwortete Trausch. Er machte eine Kopfbewegung hinter sich,
und als Connys Blick der Geste folgte, erkannte sie einen betagten roten Celica , der in einem halben Dutzend Schritten Entfernung am
StraÃenrand parkte. Sie musste nicht auf das Nummernschild sehen, um zu wissen,
dass es ihr eigener Wagen war. Ihr Blick wurde fragend.
»Ich bin Ihnen tatsächlich nachgefahren, aber nicht, um Sie zu
beobachten«, fuhr Trausch fort. »Ich wollte Ihnen den Wagen zurückbringen, und
als ich angekommen bin, sind Sie gerade ins Taxi gestiegen. Also bin ich Ihnen
nachgefahren. Ich hätte Sie angesprochen, aber dann habe ich gesehen, in
welches Haus Sie gingen. Ich war ziemlich sicher, dass es Ihnen nicht recht
sein würde, wenn ich Sie zu Ihrer Freundin begleite.« Er hob die Schultern.
»Also habe ich hier auf Sie gewartet.«
Das mochte stimmen oder auch nicht â so oder so hörte es sich nicht
wirklich überzeugend an. »Sie sind extra zurückgekommen, um mir meinen Wagen zu
bringen?«
Trausch nickte zwar, aber dann schien ihm wohl selbst klar zu
werden, wie wenig glaubhaft sich das anhörte. »Ja und nein«, gestand er. »Es
war ein Vorwand. Die Jungs aus der Technik liegen mir schon seit drei Tagen
damit in den Ohren, dass ihr Wagen im Weg rumsteht und weg muss. Also habe ich
die Gelegenheit ergriffen und ihn gleich selbst abgeholt. Oder sind Sie zu
allem Ãberfluss auch noch scharf darauf, Standgebühren zu zahlen? Sie wissen,
wie die Typen aus der Rechnungsstelle sind.«
Seine Geschichte hatte mehr Löcher als ein Spinnennetz nach einem
Herbststurm, aber sie sah ihn nur weiter durchdringend an, und es vergingen auch
nur noch ein paar Sekunden, bevor seine vorgetäuschte Ruhe unter ihrem Blick zu
zerbröckeln begann und er sich schlieÃlich in ein nervöses Lächeln und ein noch
nervöser wirkendes Schulterzucken rettete. »Also gut, ja«, gestand er. »Ich bin
auch noch aus einem anderen Grund hier. Ich muss mit Ihnen
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