Unheil
reden.«
»Worüber?« Conny sparte es sich, ihn darauf aufmerksam zu machen,
dass sie gute zehn Minuten zu Fuà gegangen war und er in dieser Zeit jede
Gelegenheit gehabt hätte, neben ihr anzuhalten und sie anzusprechen. Er hatte sie beobachtet. Er war vielleicht nicht mit der
Absicht gekommen, sie zu observieren, das wollte sie ihm gerne glauben, aber er
hatte auch keinen besonderen Wert darauf gelegt, von ihr entdeckt zu werden,
sondern ganz im Gegenteil abgewartet, um herauszufinden, wohin sie gehen würde.
»Nicht hier«, sagte er und machte erneut eine Kopfbewegung zu ihrem
Wagen. Einen halben Herzschlag lang fragte Conny sich, ob er sich vielleicht
einen Spaà daraus machte, den Geheimnisvollen zu spielen, aber irgendetwas
sagte ihr, dass es nicht so war. Er war nervös, auch wenn er sich alle Mühe
gab, sich nichts davon anmerken zu lassen. Sie nickte.
Als sie sich dem Wagen näherten, griff er in die Jackentasche und
hielt ihr einen Schlüsselbund hin, den sie ohne Ãberraschung, aber schon wieder
mit einem leisen Gefühl von Verärgerung als ihren eigenen identifizierte. Sie
schüttelte den Kopf. »Sie sind hergefahren, dann bringen Sie mich auch wieder
zurück.« Als er nur mit den Schultern zuckte und in einem Bogen auf die StraÃe
auswich, um auf der Fahrerseite einzusteigen, fügte sie hinzu: »Fahren Sie
vorsichtig. Meine Versicherung zahlt nur, wenn ich selbst am Steuer sitze.«
Das war zwar die Wahrheit, zugleich aber auch so albern, dass
Trausch sich nicht einmal die Mühe machte, darauf zu antworten. Er schloss die
Fahrertür auf, klemmte sich hinter das Steuer und wartete nicht einmal ab, bis
sie sich angeschnallt hatte, bevor er auch schon den Motor startete und
losfuhr. Für die nächsten paar Sekunden wich er ihrem direkten Blick aus, indem
er so tat, als müsse er ständig in einen der Spiegel sehen oder sich auf andere
Weise auf den praktisch nicht vorhandenen Verkehr konzentrieren. Hätte sie es
nicht besser gewusst, wäre es ihr so vorgekommen, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
Aber wusste sie es eigentlich besser?
»Was ist das?« Trausch machte eine Kopfbewegung auf die Bücher in
ihrem SchoÃ. »Und sagen Sie jetzt nicht: Bücher.«
Conny war klar, dass er diese Frage nur stellte, um sie ihrerseits
davon abzuhalten, eine Frage zu stellen. Sie beantwortete sie trotzdem. »Ich
bin nicht sicher. Mir ist allerdings etwas aufgefallen.«
»Und was?«
»Lea hat immer viel gelesen, wissen sie? Aber anscheinend hat sich
ihr Geschmack vor ungefähr zwei Jahren schlagartig geändert.« Sie hob die
Schultern. »Natürlich ist es nur eine Vermutung. Ich kann mich irren. Das hier
sind die einzigen Titel, die jünger als zwei Jahre sind.«
Trausch warf einen schrägen Blick auf den geknickten Einband des
obersten Buches. »Und es ist alles so ein ⦠Zeug?«
»Wenn sie mit Zeug Bücher über Hexerei, Vampirismus und Leben nach
dem Tod und solche Themen meinen, ja«, antwortete Conny. »Aber wie gesagt: Das
muss nichts bedeuten.«
»Das muss nichts bedeuten?«, wiederholte Trausch mit sonderbarer
Betonung und einem noch seltsameren Blick. »Ein sechzehnjähriges Mädchen, das
sich nur noch mit solchen morbiden Themen beschäftigt?«
»Ich dachte, Sie hätten Kinder?«, gab Conny zurück.
»Allerdings.«
»Dann sollten Sie eigentlich wissen, dass Sechzehnjährige per
Definition morbide sind«, sagte sie.
Trausch verzog zwar gehorsam die Lippen zu einem amüsierten Lächeln,
doch sein Blick blieb ernst. »Sie glauben also, irgendetwas in ihrem Verhalten
hätte sich geändert. Vor ungefähr zwei Jahren.« Irgendwie schien diese letzte Feststellung
von besonderer Bedeutung für ihn zu sein, aber er machte sich nicht die Mühe,
es zu erklären. »Und das haben Sie vorher nicht gemerkt? Immerhin haben Sie die
Ermittlungen am Anfang geleitet. Ich dachte, Sie hätten sich das Zimmer
gründlich angesehen.«
Er sprach im ganz sachlichem Ton einer Feststellung, ohne den
leisesten Vorwurf, aber Conny fühlte sich trotzdem mit einem Male genötigt,
sich zu verteidigen. »Und woher hätte ich wissen sollen, worauf ich achten
muss?« Sie bedauerte die Worte schon, bevor sie sie ganz ausgesprochen hatte.
Eine bessere Vorlage hätte sie ihm kaum liefern können.
»Weil es unser Job ist, so
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