Unheil
nahm einen tiefen Zug, lieà sich wieder zurücksinken
und blies den Rauch durch die Nasenlöcher aus. »Andererseits frage ich mich, wozu.«
Conny sagte auch dazu nichts. Sie hatten dieses Gespräch vielleicht
ein Dutzend Mal geführt, wahrscheinlich öfter, und sie wusste, wie es enden
würde. Deshalb war sie nicht hergekommen. Wenn sie ehrlich war, wusste sie
eigentlich gar nicht, warum. Nur, weil Vlad es ihr gesagt hatte? Möglicherweise der Vlad, der gar nicht existierte?
Sie suchte sich einen Platz und setzte sich so, dass ihr das
unangenehm grelle Tageslicht nicht direkt ins Gesicht fiel. »Eigentlich wollte
ich mich wirklich nur zum Frühstück einladen«, begann sie, vergebens um einen
scherzhaften Ton bemüht. »Doch so, wie es hier aussieht, sollte ich dich
vielleicht besser einladen. Gibt es den kleinen Coffeeshop unten an der Ecke
noch?«
»Ja«, antwortete Sylvia. »Aber ich will nicht dorthin. Ich mache dir
einen frischen Kaffee, wenn du möchtest.«
»Wann bist du das letzte Mal aus dem Haus gegangen?«, fragte Conny.
Sylvia sog erneut an ihrer Zigarette, bevor sie antwortete. Conny
konnte ihr Gesicht nur noch durch einen grauen Rauchschleier hindurch erkennen,
aber sie sah trotzdem, dass sich etwas in ihrem Blick geändert hatte. Ihre
Augen glitzerten hart. »Ich wäre es heute, wenn ich nicht seit einer Stunde auf
dich warten würde.«
»Unsinn«, widersprach Conny. »Du weiÃt genau, was ich meine.«
Silvia antwortete nur mit einem Achselzucken. Sie nahm einen
weiteren tiefen Zug aus ihrer Zigarette, blies den Rauch durch die Nase wieder
aus, ohne wirklich inhaliert zu haben, und stand plötzlich auf, um in die Küche
zu gehen. Als sie zurückkam, hielt sie eine Flasche Mariacron in der rechten
und zwei saubere Gläser in der linken Hand. Conny schüttelte wortlos den Kopf,
als sie ihr einen fragenden Blick zuwarf. Sie schwieg, bis Silvia sich wieder
gesetzt und eines der Gläser drei Finger hoch mit der kupferfarbenen
Flüssigkeit gefüllt hatte.
»Lea wird nicht wieder lebendig, wenn du dich auch noch umbringst«,
sagte sie sanft.
Sylvia stürzte den Inhalt ihres Glases mit einem einzigen Zug
herunter, bevor sie antwortete. »Du machst dir zu viele Sorgen. Ich habe das im
Griff.«
»Oh ja, sicher«, antwortete Conny scharf, biss sich auf die Zunge
und schluckte den Rest von dem herunter, was sie eigentlich sagen wollte. Sie
hatten auch dieses Gespräch schon unzählige Male geführt, und sie war auch
deshalb nicht hergekommen.
»AuÃerdem geht das gar nicht so schnell, das mit dem sich zu Tode
saufen«, fuhr Sylvia fort. »Glaub mir. Ich habe es ausprobiert.«
»Tröstet dich der Gedanke gar nicht, dass wir ihn haben?«, fragte
Conny.
Sylvia schnaubte, streckte die Hand nach der Flasche aus und zog sie
dann wieder zurück, ohne die Bewegung beendet zu haben. »Wie war das gerade?
Das macht Lea auch nicht wieder lebendig, oder?«
»Nein«, gestand Conny. »Aber ich finde es tröstlich.«
»Was? Dass du den Kerl umgelegt hast? Ja, das finde ich auch
tröstlich. Was allerdings überhaupt nichts ändert.« Sie schenkte sich nun doch
ein weiteres Glas ein, trank jedoch nicht daraus, sondern hielt es nur in
beiden Händen, als bräuchte sie plötzlich etwas, woran sie sich festklammern konnte.
»Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, dass du das Schwein erledigt
hast. Was ist das für ein Gefühl?«
»Einen Menschen zu töten?« Conny schüttelte den Kopf. »Kein sehr
schönes.«
»Einen Menschen?« Silvia gab einen sonderbaren Laut von sich, eine
Mischung aus einem Keuchen, einem Lachen und etwas, das sich wie ein Bellen
anhörte. »Der Kerl war kein Mensch. Ich hätte es selbst getan, wenn ich ihn in
die Finger gekriegt hätte. Aber wahrscheinlich nicht so schnell.«
»Ja, und du hättest auch jede Rechtfertigung dafür gehabt«,
antwortete Conny, »zumindest vom moralischen Standpunkt aus. Aber es ist
trotzdem kein schönes Gefühl.«
Sie war nicht sicher, ob es Feindseligkeit war, was plötzlich in
Sylvias Augen aufblitzte, auf jeden Fall nichts Angenehmes und nichts, was sie
wirklich wissen wollte. »Du bist nicht gekommen, damit ich dich tröste, weil du
diesen armen unschuldigen Kranken getötet hast, oder?«
»Nein«, antwortete Conny. Plötzlich fiel
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