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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schon wieder auf
jedem Fernsehschirm der Stadt bewundern; in miserabler Qualität und
hoffnungslos verwackelt und ohne Ton, aber dafür mit umso phantasievolleren
Untertiteln, wo sich jemand im Lippenlesen oder auch frei Erfinden versucht
hatte. Sie warf Trausch, der zu einer sichtbar scharfen Antwort ansetzte, einen
raschen, mahnenden Blick zu, gab ihren Platz auf dem Trittbrett des Wagens auf
und trat gebückt zu Eichholz hinein. Trausch folgte ihr und nahm neben ihr auf
der Kante derselben Pritsche Platz, auf der sie vor einer halben Stunde wach
geworden war, und Eichholz schloss die Tür und setzte sich auf die Bank auf der
anderen Seite. Er sah Conny und Trausch abwechselnd und wortlos an, und das auf
eine Art, die Conny plötzlich froh sein ließ, keine Gedanken lesen zu können.
    Â»Und Sie sind vollkommen sicher, dass Sie nicht ins Krankenhaus
wollen?«, fragte er schließlich.
    Â»Ja«, antworteten Trausch und sie unisono.
    Eichholz sah ein bisschen bekümmert aus, aber auch nicht so, als
hätte er mit irgendeiner anderen Antwort gerechnet. Trotzdem versuchte er es
noch einmal. »Ich könnte Ihnen die dienstliche Anweisung dazu geben.«
    Â»Können Sie nicht«, erwiderte Trausch ruhig.
    Â»Sie sind schwer verletzt«, antwortete Eichholz. »Der Arzt sagt …«
    Â»Der Arzt«, fiel ihm Trausch ins Wort, und das in einem Ton, der
ziemlich deutlich machte, was er von den Fähigkeiten des – auch nach Connys
Meinung – hoffnungslos überforderten jungen Notarztes hielt, »hat keine Ahnung.
Das ist nur eine Schramme. Ich habe schon Schlimmeres überstanden.«
    Conny wusste nicht, was sie vom zweiten Teil seiner Behauptung
halten sollte, aber eine Schramme war das, was der
Möchtegern-Vampir mit seinem Arm angestellt hatte, ganz bestimmt nicht. Ihr war
bis jetzt nicht ganz klar, woher er die Kraft genommen hatte, sich nicht nur
selbst aus der brennenden Wohnung zu retten, sondern auch noch sie die fünf
Treppen nach unten zu tragen – die Wunde, die ihm die Eisenklaue zugefügt
hatte, war möglicherweise nicht lebensgefährlich gewesen, aber er hatte sehr
viel Blut verloren, und Conny erinnerte sich auch noch voller Schaudern an die
schreckliche Leere in seinen Augen.
    Vielleicht war es auch nur ihr schlechtes Gewissen, das ihr zu
schaffen machte. Sie hatte ihn im Stich gelassen. Es spielte keine Rolle, warum
und aus welchem Grund und ob sie eine Wahl gehabt hatte oder nicht. Sie hatte
ihn in dem sicheren Wissen zurückgelassen, dass er sterben würde, und dieser
Gedanke nagte an ihr und würde es vielleicht für den Rest ihres Lebens tun.
    Â»Ganz, wie Sie wollen«, sagte Eichholz. Er klang nicht unbedingt
enttäuscht. »Also: Was ist passiert? Wirklich, meine ich.« Er kam Connys
Antwort zuvor, indem er rasch die Hand hob und mit veränderter Stimme hinzufügte:
»Und ersparen Sie es uns beiden, jetzt irgendetwas von einem reinen Zufall zu erzählen. Die Wahrheit, bitte.«
    Wenn es in dieser ganzen Geschichte überhaupt etwas wie eine Wahrheit gab, dachte Conny. Sie zögerte, irgendetwas
zu antworten. Trausch und sie hatten sich auf eine Geschichte geeinigt, die
ungefähr so weit von der Wahrheit entfernt war wie sie davon, Eichholz einen
Heiratsantrag zu machen, und sie hatte – benommen und durcheinander, wie sie
gewesen war – zugestimmt, sich daran zu halten, aber sie konnte sich nicht
einmal genau erinnern, was sie besprochen hatten.
Oder warum er eigentlich wollte, dass sie log; nur, dass es ihr in diesem
Moment irgendwie schlüssig vorgekommen war.
    Â»Wie kommen Sie darauf, dass es etwas anderes gewesen sein könnte?«,
fragte sie schließlich lahm. Auf einer Ebene, die es ihr unmöglich machte,
darauf zu reagieren, registrierte sie, wie Trausch ihr einen fast entsetzten
Blick zuwarf. Trotzdem fuhr sie fort: »Es war Zufall.
Ich wollte Sylvia besuchen, das ist alles.«
    Eichholz sagte zwar nichts dazu und machte nicht einmal den Versuch,
irgendwie anders als zweifelnd auszusehen. Conny wusste zwar, dass sie
vermutlich einen – sehr dummen – Fehler beging, aber sie konnte gar nicht
anders, als in trotzigem Ton hinzuzufügen: »Eigentlich sollten Sie das doch
wissen. Sie hören doch mein Telefon ab. Oder sind Sie heute Vormittag noch
nicht dazu gekommen?«
    Eichholz blieb vollkommen ruhig. »Sie wollten sich also einfach nur
mit ihr unterhalten. Ein

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