Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
1. Kapitel
»Ick heff mol in Hamburg een Veermaster sehn, to my hooday, to my hooday.«
Der fröhliche Gesang drang bis ans Oberdeck des kleinen Ausflugsschiffes und übertönte beinahe die Ansagen aus dem Bordlautsprecher: »Rechts, meine Damen und Herren, sehen Sie den legendären Fischmarkt mit der berühmten Fischauktionshalle.«
Es war ein strahlend blauer Sommertag. Die Sonne brannte geradezu von einem wolkenlosen Himmel und nur eine leichte Brise machte die Hitze erträglich.
Erika Matzen stand an der Reling, beugte sich weit vor und kotzte sich die Seele aus dem Leib.
»Na min Deern, bist aber auch nicht seefest, wat?« Der schmale Mann mit Schippermütze trat neben sie und tätschelte ihre Schulter. »Dabei sind wir noch nicht mal auf dem offenen Meer.«
Erika Matzen trat einen Schritt zurück. Die ganze Situation war ihr mehr als unangenehm, und das Grinsen in dem Gesicht des Mannes, das ihr entgegensprang, als sie den Kopf zur Seite hob, machte es nicht besser. So etwas war ihr noch nie passiert. Schließlich stammte sie aus einer Seefahrerfamilie; war quasi auf dem Wasser groß geworden. Aber dies war eben nicht das Meer, wie der Mann richtig bemerkt hatte. Dies war die Elbe und sie fuhren durch den Hamburger Hafen.
Früh am Morgen hatten sich Erika und ihr Mann Heinrich mit der Seniorengruppe ›Aktive Nordfriesen‹ in Niebüll am ZOB getroffen und waren nach Hamburg gefahren. Schon öfter hatten sie mit anderen Rentnern aus der Umgebung Ausflüge zusammen gemacht. Die Fahrt in die Hansestadt war bereits die dritte Tour in diesem Jahr, der sie sich angeschlossen hatten, und die Hafenrundfahrt der erste Programmpunkt des Trips. Doch so wie sich Erika momentan fühlte, glaubte sie nicht daran, den Rest des Tages zu überstehen. Wieder rebellierte ihr Magen und sie versuchte, durch tiefes Ein- und Ausatmen den Brechreiz zu unterdrücken.
»Hier, nimm man ’nen Schluck.« Der schlanke Mann reichte ihr einen silbernen Flachmann und nickte ihr aufmunternd zu. Erikas Hand zitterte wie bei einem Alkoholiker auf Entzug, als sie die Flasche langsam zum Mund führte. »Nu man nich so schüchtern.« Sie kniff die Augen zusammen und nahm einen großen Schluck. Die brennende Flüssigkeit lief ihren Hals hinab und entfachte ein Feuer in ihrer Magengegend. Kurz überkam sie ein neuer Brechreiz und sie lehnte sich wieder über die Reling. Dann aber spürte sie plötzlich, wie ein Knoten in ihrem Bauch platzte, und schlagartig ging es ihr besser. Sie atmete auf. »Danke.« Erika reichte dem Mann den Flachmann zurück. Der nickte. »Und nun genießt du mal schön den herrlichen Hamburger Hafen.« Wieder tätschelte er ihre Schulter, doch diesmal war es ihr nicht unangenehm. »Soll ick jemanden Bescheid geben, dat du hier oben büst?«
Erika dachte kurz an Heinrich, der ihre Abwesenheit sicherlich noch nicht einmal bemerkt hatte. Er hatte bereits im Bus den ersten Schnaps getrunken und hielt sich nun gewiss auch nicht zurück. Sie schüttelte den Kopf. »Aber danke noch mal.« Sie schaute dem Mann hinterher, während er die Treppe zum Unterdeck hinunterkletterte. Das Letzte, was sie von ihm sah, war seine dunkelblaue Schippermütze, doch als auch die aus ihrem Blickfeld verschwunden war, wandte sie sich endlich der Szenerie der Elbe zu.
Das Schiff hatte mittlerweile gedreht und fuhr nun stromaufwärts, um in den Containerhafen Waltershof abzubiegen. Tausende von bunten Containern reihten sich an den Kaianlagen aneinander.
Davor lagen etliche Schiffe, die be- oder entladen wurden. So genau konnte Erika das nicht erkennen. Ihr Ausflugsboot wirkte winzig im Vergleich zu den riesigen Pötten, beinahe wie eine Nussschale. Woher die Schiffe wohl kamen? Die meisten Flaggen, unter denen die Schiffe fuhren, kannte Erika nicht. Und meist sagte dies heutzutage ohnehin nichts mehr darüber aus, denn selbst viele deutsche Frachter fuhren unter ausländischer Flagge. Weil es billiger war, wie Erika der Ansage aus dem Lautsprecher entnahm.
Wenig später verließen sie den Containerhafen und fuhren auf dem Hauptstrom Richtung Speicherstadt. Erika liebte dieses Hamburger Viertel, das sich den Flair längst vergangener Zeiten bewahrt hatte, aber leider wendete das Schiff kurz darauf, um Kurs auf die Landungsbrücken zu nehmen, wo die Fahrt schließlich endete.
Langsam ging sie die Treppe vom Oberdeck hinunter und reihte sich in die Schlange der anderen Fahrgäste ein, um von Bord zu steigen. Anscheinend hatte sie keiner
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