Unheil
ohne
Skrupel, ohne das geringste Zögern oder die Spur irgendeines menschlichen
Gefühls, und es spielte dabei nicht die geringste Rolle, warum er es getan oder
ob er ihr damit das Leben gerettet hatte. Das Warum war völlig egal. Es war das
Wie, das sie so unendlich tief entsetzte, seine Art, zu töten, in der
vielleicht nicht einmal wirkliche Grausamkeit lag, sondern etwas viel
Schlimmeres. Er hatte gemordet wie eine ⦠Maschine .
Aber sie konnte nichts von alledem aussprechen oder auch nur in
einen bewussten Gedanken fassen. Plötzlich war die Angst da, die sie bisher
vermisst hatte, eine lähmende, den Atem abschnürende Furcht, die sich wie eine
eiskalte Faust aus Stahl um ihren Hals legte und ihr das Atmen unmöglich
machte. Es war auch jetzt noch keine Angst vor dem Tod oder Schmerz, sondern Angst
vor ihm, einer Kreatur der Nacht und des Wahnsinns,
die jäh in ihr Leben eingebrochen war und es Stück für Stück zerstörte.
»Trausch«, murmelte sie. »Ich muss ⦠Trausch â¦Â«
»Mach dir keine Sorgen um deinen Kollegen«, sagte Vlad sanft. »Ich
kümmere mich um ihn.«
Aber den letzten Satz hörte sie schon gar nicht mehr. Alles wurde
dunkel, leicht und irreal. Dann fühlte sie nichts mehr.
Kapitel 11
Die StraÃe
war in beiden Richtungen abgesperrt worden. Dort, wo sie selbst vor weniger als
einer Stunde hergekommen war, blockierten nun zwei quer gestellte
Mannschaftswagen beide Fahrspuren. Sie lieÃen eine Lücke, durch die gerade
einmal der Feuerwehrwagen gepasst hatte, dessen Besatzung immer noch versuchte,
das brennende Obergeschoss des einstmals prachtvollen Hauses zu löschen oder
wenigstens ein Ãbergreifen der Flammen auf die benachbarten Gebäude zu
verhindern. Aus der anderen Richtung war der letzte Wagen vor mehr als zehn
Minuten gekommen. Conny nahm an, dass ihre Kollegen den Verkehr an der Kreuzung
weiter unten umleiteten, an der Trausch und sie vorhin gewendet hatten, oder
sie vielleicht auch kurzerhand komplett gesperrt hatten. Dennoch war die StraÃe
alles andere als verlassen. Dutzende (Conny kam es vor, als wären es Hunderte)
von Streifen- und Krankenwagen, Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und der Caritas
und eine ganze Anzahl von Eichholzâ geliebten schwarzen BMW s
standen in chaotischer Unordnung vor dem Haus und blinkten um die Wette â
immerhin hatten die Fahrer nach und nach wenigstens die Sirenen ausgeschaltet,
die flackernden Blau- und Rotlichter aber nicht deaktiviert, sodass sich Conny
beinahe wunderte, dass noch keiner der zahllosen Zuschauer hier einen
epileptischen Anfall bekommen hatte â und ein zweiter, lebendiger Schutzwall
aus uniformierten Beamten versuchte ebenso enthusiastisch wie wenig
erfolgreich, den beständig anwachsenden Strom der Neugierigen und Gaffer im
Zaum zu halten. Vor ungefähr zehn Minuten war der erste Helikopter über der StraÃe
erschienen und nach einem Augenblick wieder verschwunden, nachdem Eichholz sein
Funkgerät aus der Tasche gezogen und einige wenig freundliche Worte
hineingebrüllt hatte. Aber natürlich hatte es nicht lange vorgehalten.
Mittlerweile raste der fünfte oder sechste Pressehubschrauber so dicht über die
StraÃe hinweg, dass Conny sich fast einbildete, den Luftzug seiner Rotoren zu
spüren. Sie war ein wenig erstaunt. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es in
dieser Stadt so viele Fernsehsender oder Zeitungen mit eigenen Hubschraubern
gab.
»Manchmal bedauere ich es fast, dass wir nicht in Russland sind,
oder in Nordkorea«, seufzte Trausch. Er saà neben ihr im offenen Heck eines RTW und blinzelte fast versonnen zu dem zweisitzigen
Helikopter hinauf, der seit einer geschlagenen Minute keine zwanzig Meter über
dem brennenden Dach schwebte und mit seinem künstlichen Tornado die Qualmwolken
auseinanderpeitschte. Conny nahm an, dass das den Feuerwehrleuten dort oben
nicht einmal unrecht war. Vermutlich war es sogar der einzige Grund, aus dem
Eichholz ihn überhaupt noch dort oben duldete und sogar die Kamera in Kauf zu
nehmen schien, die jede noch so winzige Bewegung hier unten auf der StraÃe
aufzeichnete.
»Weil sie dort keine Pressehubschrauber haben?«, fragte sie nach einer
Weile.
Trausch schüttelte den Kopf. »Nein. Ich schätze, die gibt es
überall. Aber unsere Aussichten stünden dort vermutlich nicht schlecht, sie
abschieÃen zu dürfen.«
Conny war nicht sicher,
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