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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sie
versuchte sich vorzustellen, wie es sein musste, hier zu leben, in einem Raum,
der selbst etwas von einem Sarg hatte und den Aisler zweifellos ganz
absichtlich so hergerichtet hatte.
    Â»Habe ich schon erwähnt, dass Aisler vermutlich verrückt war?«,
sagte Trausch.
    Conny sah ihn nachdenklich an. »Das ist keine Erklärung«, murmelte
sie. Trausch hob fragend die linke Augenbraue. »Das hier hat nichts mit
verrückt zu tun«, fuhr sie fort. »Jedenfalls nicht so, wie ich erwartet hätte.«
    Â»Was haben Sie denn erwartet?«
    Sie hätte ihm diese Frage nicht einmal beantworten können, wenn sie
es gewollt hätte. Sie wusste es nicht. »Jedenfalls nicht das hier«, sagte sie.
»Hier hat niemand gelebt . Es war ein Probeliegen für
den Friedhof.«
    Â»Stimmt. In seinem selbst gebastelten Sarg war Friedhofserde.
Übrigens Erde vom Grab eines seiner Opfer. Wir haben sie analysiert.« Trausch
hob rasch die Hand. »Keine Angst, nicht von Leas Grab.«
    Wenn das ein Trost sein sollte, verfehlte er seine Wirkung. Conny
hatte ganz im Gegenteil plötzlich erneut das Gefühl, dass Trausch und sie nicht
allein hier drinnen waren. Etwas … kroch durch die Schatten auf sie zu.
    Â»Sie spüren es auch, nicht wahr?«, fragte Trausch plötzlich.
    Â»Was?«
    Â»Dass etwas hier ist«, antwortete Trausch leise. »Als hätte er etwas
zurückgelassen.«
    Aber vielleicht war es auch genau umgekehrt gewesen, dachte Conny schaudernd. Vielleicht war etwas hier gewesen,
das auf ihn gewartet hatte.
    Â Â»Und so hat er zwei Jahre
lang gelebt?«
    Trausch schüttelte heftig den Kopf. »Er hat zwei Jahre hier gelebt,
aber nicht so. Seine Eltern haben ihn ein paarmal besucht, und auch der
Hausmeister war zwei oder dreimal in der Wohnung – meistens, weil sich die
Nachbarn über zu laute Musik beschwert haben.« Er machte eine ausholende
Bewegung. »Die Jungs aus den Labors sagen, dass die Farbe höchstens fünf oder
sechs Wochen alt ist. Offensichtlich hat er seine Wohnung neu dekoriert, kurz
bevor oder nachdem er damit angefangen hat, junge Frauen umzubringen.«
    Conny sah ihn zwei oder drei Sekunden lang nachdenklich an, dann
drehte sie sich ohne ein Wort um und trat in die winzige Toilette. Sie war
erstaunlich sauber und selbstverständlich wie der Rest der Wohnung pechschwarz
gestrichen, bis hin zu dem ursprünglich einmal weißen Toilettendeckel aus
Kunststoff, über den Aisler offensichtlich mit einer Dose Ölfarbe hergefallen
war.
    Dasselbe galt für die Küche. Es war eine billige
Standardausstattung, die früher einmal weiß oder von hellbeiger Farbe gewesen
sein musste. Aisler hatte sie nicht mit Farbe attackiert, sehr wohl aber mit
Ausnahme der Herdplatte und der Spüle jeden Quadratmillimeter mit schwarzer
Klebefolie bepflastert. Conny öffnete zwei oder drei Türen und stellte ohne
Überraschung fest, dass Aislers Kreuzzug gegen alles, was nicht schwarz war,
auch vor dem Inneren der Schränke nicht Halt gemacht hatte.
    Â»Ich habe Ihnen doch gesagt, es gibt nicht viel zu sehen«, erinnerte
sie Trausch. »Die Spurensicherung hat jeden Nagel mitgenommen und unter das
Mikroskop gelegt. Wenn es irgendeine Verbindung zwischen ihm und Ihrem
geheimnisvollen Freund gibt, dann nicht hier.«
    Conny verzichtete darauf, ihn – wieder einmal – zu bitten, Vlad
nicht ihren Freund zu nennen, warf ihm aber einen
vorwurfsvollen Blick zu und trat wieder aus der Küche heraus. Wahrscheinlich
hatte er von Anfang an den richtigen Riecher gehabt. Dennoch war sie enttäuscht,
auch, wenn sie eigentlich mit der sicheren Ahnung hergekommen war, genau das zu
finden, was sie letztendlich auch gefunden hatte, nämlich nichts.
    Â»Wahrscheinlich habe ich mich getäuscht«, gestand sie. »Es war
Zeitverschwendung.«
    Â»Das würde ich so nicht sagen. Jetzt wissen wir immerhin, wo wir nicht suchen müssen.« Trausch lächelte noch einmal knapp,
wurde aber auch sofort wieder ernst und fügte hinzu: »Nein, es ist gut, dass
Sie das hier sehen.«
    Â»Warum?«
    Â»Damit Sie begreifen, womit wir es zu tun haben.« Sein Blick
verhärtete sich. »Die beiden Kerle von heute Morgen waren mindestens genauso
durchgeknallt wie Aisler. Es würde mich nicht wundern, wenn wir herausfinden,
dass es noch mehr von der Sorte gibt.«
    Â»Was für eine beruhigende Vorstellung«, sagte

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