Unheil
alles.«
Trausch maà sie mit einem misstrauischen Blick, schob sie dann mit
einer sachten, dennoch sehr entschlossenen Bewegung zur Seite und trat an ihr
vorbei, um den Hausflur aufmerksam in Augenschein zu nehmen. Er tat es gerade
noch rechtzeitig genug, um eine schlanke Gestalt mit schulterlangem Haar aus
der Tür nach drauÃen verschwinden zu sehen.
»Kennen Sie den Burschen?«, fragte er.
Conny verneinte. »Nie gesehen«, behauptete sie. »Ich werde
anscheinend wirklich langsam hysterisch.« Zumindest das nie
gesehen entsprach der Wahrheit. Es war ein vollkommen normaler und
vermutlich ebenso vollkommen harmloser junger Mann gewesen, der weder ganz in
schwarz gekleidet war noch schwarze Haare und ein Stachelhalsband oder ein
vergleichbares modisches Accessoire trug â¦Â
doch sein Anblick hatte sie an etwas erinnert, das dicht unter der
Oberfläche ihrer Gedanken gelauert hatte; wie ein winziger Dorn, den man sich
eingerissen hatte und der sich beständig durch einen sachten, aber penetranten
Schmerz wieder meldete.
»Raus mit der Sprache!«, verlangte Trausch.
»Mir ist nur gerade wieder etwas eingefallen.« Sie hob die
Schultern. »Wahrscheinlich ist es völlig harmlos.«
»Warum überlassen Sie diese Beurteilung nicht mir?«, fragte Trausch.
»Erinnern Sie sich an den Abend, an dem Sie mich nach Hause gefahren
haben?«, fragte Conny.
»An welchen?«
»Den ersten. Ich war damals nicht sicher, und ich war müde und
erschöpft und â¦Â«
»Ja, ich weië, unterbrach er sie ungeduldig. »Und?«
»Ich glaube, ich habe unten in der Tiefgarage jemanden gesehen.«
»Einen jungen Mann in schwarzen Kleidern und mit langen Haaren«,
vermutete Trausch.
Conny nickte.
»Und Sie haben es nicht für nötig gehalten, mir davon zu erzählen?«
»Ich habe es nicht für wichtig gehalten«,
verbesserte ihn Conny. »Ehrlich gesagt, habe ich es vergessen.«
Trausch schwieg eine ganze Weile, in der er sie nun eindeutig
vorwurfsvoll ansah. Dann schüttelte er resignierend den Kopf. »War es einer der
beiden von heute Morgen?«
»Keine Ahnung«, gestand Conny. »Aber da war â¦Â«
»Noch etwas?«, fragte Trausch.
Sie überlegte kurz. Da war â vielleicht â etwas gewesen. Im
Krankenhaus, als sie das Mädchen besucht hatte. Aber eben nur vielleicht. Das
Verrückte war, sie erinnerte sich nicht wirklich, ob sie auch dort einen dieser
Friedhofs-Freaks gesehen hatte oder ob ihr vielleicht nur ihre Erinnerung einen
bösen Streich spielte. So weit war es also schon, dachte sie, zugleich
erschrocken wie wütend auf sich selbst. Sie konnte nicht einmal mehr ihren
eigenen Erinnerungen trauen.
»Kommen Sie«, sagte sie niedergeschlagen. »Ich will hier raus.«
Er hatte sie schlieÃlich doch nach Hause gebracht, und zum
ersten Mal, seit diese Geschichte angefangen hatte, hatte er nicht darauf
bestanden, sie bis in ihre Wohnung oder wenigstens vor die Tür zu begleiten,
sondern sich bereits im Lift von ihr verabschiedet und war dann beinahe hastig
gegangen, was Conny schon wieder mit einem Gefühl von vollkommen absurder
Enttäuschung erfüllt hatte. Mehr noch â auf eine nun wirklich unsinnige Weise
fühlte sie sich von ihm verraten und im Stich gelassen â woran auch die beiden
uniformierten Polizeibeamten nichts änderten, von denen einer im Aufzug und der
zweite oben vor ihrem Apartment auf sie gewartet hatte. Natürlich sagte sie
sich, dass sie sich albern benahm; sie begann tatsächlich hysterisch zu werden.
Dazu hatte sie jedes Recht, nach allem, was ihr in den letzten Tagen zugestoÃen
war â aber es passte einfach nicht zu ihr. Jedenfalls nicht zu dem Bild, das
sie bisher von sich selbst gehabt hatte.
Der Anrufbeantworter begrüÃte sie mit einem hektischen Flackern und
der erfreulichen Neuigkeit, schon wieder gut drei Dutzend Nachrichten für sie
aufgezeichnet zu haben. Conny revanchierte sich mit einem giftigen Blick und
schlug einen sogar körperlich ganz groÃen Bogen um ihn und nahm sich zum
wiederholten Male vor, sich dringend eine neue Telefonnummer zu besorgen. Und
wenn sie schon einmal dabei war, vielleicht auch gleich ein neues Leben.
Sie verbrachte die nächste halbe Stunde unter der Dusche und suchte
sich dann ganz bewusst die hellsten Kleider heraus, die sie in ihrem Schrank
fand. Irgendwie kam sie sich
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