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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geheimnisvolle Weise Substanz gewonnen und lauere nun
wie giftiger Nebel in Ecken und Winkeln, um über jeden herzufallen, der den
Fehler beging, ihnen zu nahe zu kommen.
    Â»Wenn es jetzt hier noch nach Kohl stinken würde, dann würde ich in
meinen Terminkalender sehen, um mich davon zu überzeugen, dass wir nicht
neunzehnhundertvierundachtzig schreiben«, sagte Trausch, während sie den Aufzug
ansteuerten. Conny sah ihn verständnislos an, aber Trausch machte keine
Anstalten, seine seltsame Bemerkung irgendwie zu erklären, sondern machte nur
eine übertrieben spöttisch-einladende Handbewegung und trat hinter ihr in die
Kabine. Er drückte den Knopf für die vierte Etage und begann ungeduldig von
einem Fuß auf den anderen zu treten, obwohl sich der Lift augenblicklich in
Bewegung setzte. Vielleicht lag seine Nervosität ja auch an dem beunruhigenden
Quietschen und Zittern, mit dem er es tat.
    Das Innere des Aufzugs entsprach dem ersten Eindruck, den sie von
dem ganzen Gebäude gehabt hatte: Die Wände waren mit Kritzeleien, Obszönitäten
und Telefonnummern beschmiert, und es roch nach Erbrochenem und Urin. Conny
verzog angeekelt das Gesicht.
    Â»Ein reizendes Plätzchen, nicht wahr?«, fragte Trausch.
Seltsamerweise grinste er dabei, und es hatte plötzlich etwas Schadenfrohes,
während sein Blick über die Schmierereien und eindeutigen Aufforderungen an den
zerschrammten Metallwänden tastete.
    Â»Was ist so komisch?«, wollte Conny wissen.
    Â»Oh, nichts«, behauptete Trausch. »Mir fällt nur immer wieder meine
Lieblingsidee ein, wenn ich so etwas wie das hier sehe.«
    Â»Und die wäre?«
    Â»Irgendwann einmal einen Edding in der Tasche zu haben und die
Telefonnummer von jemandem dazuzuschreiben, den ich nicht leiden kann.«
    Â»Da könnte ich Ihnen mit der einen oder anderen Nummer aushelfen«,
schmunzelte Conny.
    Trausch grinste noch breiter, aber nur für einen Moment, bevor er
umso ernster wurde. »Und Sie sind ganz sicher, dass Sie das tun wollen?«,
fragte er unvermittelt.
    Â»Was?«
    Trausch machte eine Kopfbewegung auf die geschlossene Aufzugtür.
»Auf eigene Faust weiterermitteln.«
    Â»Ich tue es nicht auf eigene Faust«, antwortete Conny. »Jedenfalls
nicht nur.«
    Â»Eichholz wird es ein wenig anders sehen«, antwortete Trausch, hielt
sie zugleich aber auch mit einem Kopfschütteln davon ab, zu antworten. »Und
selbst wenn nicht … Sie könnten sich eine Menge Ärger einhandeln.«
    Â»Das bin ich gewohnt«, antwortete Conny leichthin.
    Â»Nicht solchen.«
    Der Aufzug hielt an, und der unerwartet heftige Ruck, mit dem er es
tat, hinderte sie nicht nur daran, zu antworten, sondern ließ auch den
Entschluss in ihr reifen, auf dem Rückweg lieber die Treppe zu nehmen.
    Trausch trat mit so schnellen Schritten aus dem Aufzug, dass sie
beinahe Mühe hatte, nicht zurückzufallen. Seine Hand glitt in die Tasche der
albernen Kinderjacke, die er trug, und kam mit einem einzelnen Schlüssel wieder
zum Vorschein, den er regelrecht ins Schloss rammte, als sie die Tür am anderen
Ende des Korridors erreichten. Conny musste nicht fragen, um zu wissen, dass es
die Tür zu Aislers Appartement war. Das SEK war
nicht unbedingt sanft zu Werke gegangen: Die Tür bestand eigentlich nur noch
aus Splittern, die notdürftig mit braunem Klebeband und einem in aller Hast
darübergenagelten X aus simplen Dachlatten
zusammengehalten wurde. Das Stabilste an der gesamten Konstruktion schien noch
das amtliche Siegel zu sein, das zwischen Rahmen und Tür geklebt worden war.
Trausch machte sich nicht die Mühe, es zu entfernen, sondern schob die Tür
einfach auf und zerriss es auf diese Weise. Ohne auch nur noch einmal zu ihr
zurückzusehen, trat er hindurch und schien im gleichen Augenblick einfach zu
verschwinden.
    Hinter der Tür war es dunkel, aber nicht so dunkel, dass ihn die
Schatten einfach hätten verschlingen können … und doch schien ganz genau das zu
geschehen: Es war, als wäre er einfach aus ihrer Welt heraus- und in eine
andere hineingetreten; nicht nur aus der Welt des Sichtbaren, sondern auch aus
ihrem emotionalen Universum. Conny konnte spüren, wie seine Gegenwart erlosch,
von einem Sekundenbruchteil auf den anderen. Der Effekt war so verblüffend (und
unheimlich), dass ihr Herz zu klopfen begann.
    Â»Kommen Sie, Conny?«
    Trauschs Stimme

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