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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herunterriss, mit dem das einzige Fenster sorgsam zugeklebt worden war.
    Â»Schwarz scheint ja wirklich seine Lieblingsfarbe gewesen zu sein«,
sagte sie.
    Â»Das waren ausnahmsweise einmal wir«, antwortete Trausch, der
fortfuhr, das Fenster freizulegen. »Nachdem einige unserer Freunde von der
Presse um ein Haar dort drüben aus dem Fenster gefallen wären, weil sie
unbedingt einen Schnappschuss von einem vollkommen leeren Zimmer machen
wollten.«
    Conny blinzelte ein paarmal, damit sich ihre Augen an die plötzlich
so dramatisch veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen konnten, und während sie
es tat, hatte sie das Gefühl, ein verschwommenes Huschen und Davonwuseln aus
den Augenwinkeln heraus wahrzunehmen, als wäre das Zimmer einen flüchtigen
Augenblick voller rauchiger, körperloser … Dinge gewesen, die sich nun hastig wieder in die Schatten zurückzogen.
    Trausch entfernte den letzten Streifen schwarzen Papiers mit einem
entschlossenen Ruck, knüllte ihn zu einem Ball zusammen und ließ ihn dann
achtlos fallen. »Aber vielleicht war es doch keine wirklich gute Idee«, führte
er seinen begonnenen Gedanken fort. »Möglicherweise wäre es cleverer gewesen,
wenn wir das Gerücht ausgestreut hätten, dass sein Geist hier manchmal noch
herumspukt und man ihn fotografieren kann, wenn man ein bisschen Glück hat.«
    Conny lächelte flüchtig über die Bemerkung und sah sich, immer noch
leicht blinzelnd, zum ersten Mal wirklich in dem winzigen Zimmer um. Trausch
hatte die Wahrheit gesagt, als er vorhin behauptet hatte, es gäbe hier ohnehin
nichts zu sehen. Der Raum war höchstens halb so groß wie ihr eigenes, gewiss
nicht üppig bemessenes Apartment, und nahezu leer. Auf dem Boden lagen
zerrissenes Papier (gut die Hälfte davon stammte von Trauschs eigener Aktion
gerade), einige Holzsplitter und sonstiger Unrat. Es gab zwei leere Türrahmen –
wenn sie jemals Türen besessen hatten, hatten Aisler oder vielleicht auch ihre
Kollegen sie entfernt und weggeschafft – durch die man in eine winzige,
ebenfalls vollkommen leere Küche und eine noch winzigere Toilette sehen konnte,
in der es keine Dusche und nicht einmal eine Gelegenheit gab, sich die Hände zu
waschen, und in der dem Eingang gegenüberliegenden Wand gähnte ein gut
anderthalb Meter hohes und halb so breites Loch, das schlampig mit einer
schwarzen Plastikfolie zugeklebt worden war; Aislers selbst gebastelter
Notausgang ins benachbarte Appartement, von dem Trausch ihr erzählt hatte.
Conny warf ihm einen fragenden Blick zu und erntete nur ein missmutiges
Kopfschütteln.
    Â»Leer«, sagte er. »Vollkommen leer.«
    Â»Und wie lange bewohnt er schon zwei Appartements und zahlt nur für
eines Miete?«
    Â»Der Hausmeister behauptet«, antwortete Trausch, »er wäre vor einer
knappen Woche noch dort drüben gewesen, und da war alles in Ordnung.«
    Â»Dann ist dieser Notausgang neu«, sagte Conny. »Er hat also geahnt,
dass wir ihm auf der Spur sind.«
    Wieder zuckte Trausch nur mit den Schultern. Er sah nachdenklich
aus, aber sie sah ihm auch an, dass er sich mit jedem Augenblick, den er hier
drinnen war, weniger wohlfühlte. »Anscheinend«, bestätigte er schließlich.
»Andererseits … wenn er es wirklich gewusst hätte, wäre es ziemlich dumm von ihm
gewesen, hierzubleiben.«
    Conny drehte sich einmal im Kreis, um einen Gesamteindruck des
Zimmers zu bekommen. Nicht, dass es sonderlich viel zu sehen gegeben hätte.
Alles hier drinnen war schwarz: die Wände, der Fußboden und sogar die Decke.
Hier und da konnte man etwas wie verblasste Schatten erkennen, wo vielleicht
Möbel gestanden oder Bilder und Poster gehangen hatten, und es roch
unterschwellig nach frischer Farbe, als wäre seit Aislers Verschönerungsaktion noch nicht allzu viel Zeit verstrichen. »Wo sind alle seine Möbel?«, wollte sie
wissen.
    Â»Was für Möbel?«, gab Trausch zurück. »Die Küche ist fest eingebaut
und gehört zur Wohnung. Richtige Möbel hatte er anscheinend nicht – nur so
etwas wie einen selbst zusammengezimmerten Sarg, in dem er offensichtlich
geschlafen hat, und ein offenes Regal für Bücher und CD s.«
Er schüttelte den Kopf. »Der Bursche hatte nicht einmal einen Fernseher.«
    Â»Und das macht ihn natürlich verdächtig«, lächelte Conny.

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