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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schnürsenkeln zerrte. »Dafür wirst du bezahlen!«, stieß
er keuchend hervor. Sein Atem stank nach Erbrochenem und Blut. »Wenn … der
Meister da ist, macht er dich fertig!«
    Â»Ja, möglicherweise«, antwortete Conny grimmig, während sie ihm mit
einer völlig unnötig groben Bewegung den Stiefel herunterzerrte. »Aber wenn du
noch ein einziges Wort sagst, erlebst du das ganz
bestimmt nicht mehr.«
    Das half. Der Junge verstummte, und Conny konnte sich endlich wieder
Mirjam zuwenden und ihr dabei helfen, in die viel zu großen Stiefel zu
schlüpfen. Anders als Tess versuchte Mirjam sie zu unterstützen, so gut es
ging, aber ihre Kräfte waren schon mit dieser einfachen Aufgabe überfordert.
Conny konnte sie gerade noch auffangen, als sie zusammenzubrechen drohte.
    Â»Also gut«, zischte sie. »Wir müssen jetzt hier raus, habt ihr das
verstanden? Und zwar schnell. Ihr habt gehört, was der Kerl gesagt hat. Wir
haben nicht viel Zeit.«
    Mirjam nickte, doch Tess starrte einfach nur weiter ins
Leere und rührte sich nicht. Conny wickelte Mirjam so gut in den schwarzen
Mantel, wie sie es konnte, eilte zu ihr und zog sie auf die Füße. Tess leistete
nicht den geringsten Widerstand, aber sie rührte auch keinen Finger, um ihr zu
helfen, sondern benahm sich so kooperativ wie eine täuschend echt wirkende
Aufziehpuppe.
    Allmählich begann sich Verzweiflung in Conny breitzumachen. Tess war
nicht wirklich schwer verletzt, doch offensichtlich in einen Schockzustand
verfallen, in dem sie ungefähr so selbstständig und kooperativ war wie ein drei
Monate alter Säugling, und bei Mirjam war es nicht mehr eine Frage des ob , sondern nur noch des wann, bis auch sie entweder katatonisch wurde oder sofort starb. Aber irgendetwas musste Conny tun!
    Sie ergriff Tess am Handgelenk, registrierte dankbar, dass
sie sich wenigstens widerstandslos von ihr führen ließ, und griff mit der
anderen Hand nach Mirjams Arm, um ihn sich über die Schulter zu legen. Mirjam
versuchte ihr zu helfen, so gut es eben ging, doch das änderte nichts daran, dass
sie ungefähr eine Tonne zu wiegen schien und mit jedem Schritt noch schwerer
wurde.
    Erstaunlicherweise ging es auf dem ersten Stück ganz gut, auch wenn
ihr klar war, dass die Schwierigkeiten noch nicht einmal wirklich begonnen
hatten. Sie hatte nicht nur keine Ahnung, wie sie die beiden Mädchen die Treppe
hinaufbekommen sollte, sie war nicht einmal sicher, ob sie sie überhaupt fand .
    Aber das musste sie auch nicht.
    Es gelang ihr, die beiden Mädchen nicht nur relativ problemlos aus
dem Schacht heraus, sondern auch durch den Vorraum über die Schwelle in den
eigentlichen Keller zu bugsierten, und als sie den zweiten Schritt in die
Dunkelheit hinausmachte, flammte vor ihr ein unerträglich grelles Licht auf und
stach wie ein weiß glühendes Messer in ihre Augen.
    Conny prallte wie unter einem Hieb zurück und besaß
erstaunlicherweise genug Geistesgegenwart, Tess loszulassen, um die Hand
schützend über die Augen zu heben, und nicht Mirjam, aber damit waren ihre
Reaktionen auch schon erschöpft. Irgendetwas schepperte, und sie glaubte so
etwas wie ein überraschtes Keuchen zu hören, und in der nächsten Sekunde
versank ihr privates Universum in einem Strudel aus Frustration und purer
Todesangst.
    Â»Na, wenn das keine Überraschung ist«, drang eine schrill klingende
Stimme aus gnadenlos gleißendem Licht irgendwo hinter der Barriere hervor. »Da
suchen wir die ganze Stadt nach dir ab, und dann kommst du ganz von selbst zu
uns.«
    Conny blinzelte und versuchte den Schmerz zu ignorieren, mit dem das
grausame Licht an ihren Sehnerven entlangtobte und sich erbarmungslos in ihr
Gehirn brannte. Schatten bewegten sich dahinter, vielleicht aber auch nur
Trugbilder. Irgendetwas stank erbärmlich.
    Die Zeit schien einfach stehen zu bleiben und lief dann mit
dreifacher Schnelligkeit weiter, allerdings nicht für sie – alles rings um sie
herum bewegte sich plötzlich mit schier übernatürlichem Tempo, während sich
ihre eigenen Gedanken wie durch einen zähen Sumpf vorwärtsquälen mussten und
ihr Körper einfach erstarrte. Einer der wabernden Schemen hinter der
Novabarriere wuchs zu einem Körper, der plötzlich auf sie zusprang und Tess –
vielleicht auch Mirjam, nicht einmal das konnte sie in diesem Moment mit
Sicherheit sagen–

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