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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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würde ihm der Rückstoß vermutlich das Handgelenk brechen.
    Â»Du hast wirklich Schneid, das muss man dir lassen«, bekannte der
Junge mit dem Messer. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut, dass du wirklich her
kommst, nur um deine kleine Freundin rauszuholen.«
    Conny tat ihm nicht den Gefallen, darauf zu antworten, sondern
versuchte die dritte, noch immer nur schemenhaft erkennbare Gestalt mit Blicken
zu fixieren, die sich im Hintergrund hielt. Irgendetwas … ging von ihr aus, etwas
Körperloses, das Conny unmöglich in Worte fassen konnte, das sie aber bis auf
den Grund ihrer Seele erschreckte. Das Gespenst war viel zu weit entfernt und
viel zu unscharf, um auch nur seine genauen Umrisse erkennen zu lassen,
geschweige denn sein Gesicht, aber sie spürte einfach, dass es ihren Blick
erwiderte.
    Sie wusste auch, wer es war.
    Â»Lasst die beiden gehen«, sagte Conny jetzt mit mühsam
beherrschter, wenn auch immer noch leicht bebender Stimme. »Ihr wolltet mich.
Ich bin hier.«
    Â»Halt die Fresse, Schlampe!«, fuhr sie der Messerschwinger an. »Du
sprichst nur, wenn …«
    Â»Sei still, Frank.« Das Gespenst hob die Hand und kam näher, schien
dabei aber immer noch auf dieselbe unheimliche Weise substanzlos zu bleiben;
etwas, das nicht ganz in diese Welt gehörte, sondern nur seinen Schatten aus
einer anderen, düstereren Dimension herüberwarf. Connys Herz schlug schneller
und mit einem Male so hart, dass sie es bis in die Fingerspitzen fühlen konnte.
»Schau nach, was mit Rolf und Benny los ist, diesen Versagern.«
    Der Junge wirkte nicht begeistert, aber er hatte auch sichtlich
nicht den Mut, zu widersprechen oder auch nur zu zögern, sondern warf ihr nur
einen gleichermaßen trotzigen wie kommendes Unheil versprechenden Blick zu und
verschwand durch die Tür neben ihr. Die Hälfte des Lichts verschwand mit ihm,
und sein jüngerer Begleiter fuchtelte wild mit dem Revolver herum, was
allerdings kein bisschen drohend aussah, sondern einfach nur lächerlich. Conny
ignorierte ihn. Sie versuchte, die beiden Mädchen auszumachen, aber irgendwie
schien ihr Körper nicht mehr zu gehorchen. Als sie den Kopf drehen wollte,
konnte sie es nicht. Ihr Blick hing wie gebannt an der unheimlichen Gestalt.
    Sie kam langsam näher, blieb noch einmal stehen, wie um die Spannung
zu steigern – ein billiger Effekt in dem drittklassigen Horrorfilm, in dem sie
immer noch gefangen war – und trat dann gänzlich in den scharf abgegrenzten
Lichtschein der verbliebenen Taschenlampe hinein, und Connys Herz machte einen
neuerlichen Sprung und schlug noch einmal schneller und härter weiter, obwohl
das eigentlich gar nicht mehr hätte möglich sein dürfen.
    Sie hätte auch nicht erschrecken dürfen.
    Sie hatte gewusst, wer es war, nicht geahnt ,
sondern gewusst .
    Sie kannte dieses Gesicht.
    Das letzte Mal hatte sie es vor weniger als zwei Stunden auf dem
winzigen Bildschirm in Trauschs Wagen gesehen und das Mal davor in einem
anderen, ebenso tödlichen Keller, verbrüht und von Agonie und Todesangst
gezeichnet.
    Es war Aisler.

Kapitel 16
    Es war unmöglich. Er war tot. Conny hatte seine Leiche gesehen . Sie war dabei gewesen ,
als Vlad ihm da Genick gebrochen hatte, und jetzt stand er vor ihr, ein
Ungeheuer, das von den Toten zurückgekehrt war, um sie mit sich in sein
finsteres Reich zu nehmen und ihr unbeschreibliche Dinge anzutun. Sie sollte
Angst haben, und ihr Körper zeigte auch alle Symptome
von Furcht und schierer Todesangst. Ihr Herz raste, sie zitterte am ganzen
Leib, und in ihrem Mund war der bittere Metallgeschmack von purem Adrenalin,
und ihr Magen zog sich langsam zu einem Ball aus schneidendem Eis zusammen. Ein
Teil von ihr wollte weglaufen und sich irgendwo verkriechen, das Kind, das sie
tief in sich immer noch war und das einfach die Bettdecke über den Kopf ziehen
und die Augen fest zusammenpressen wollte und jenseits jeder Logik davon
überzeugt war, dass das Monster aus dem Wandschrank sie nicht sehen konnte,
solange sie es nicht sah. Aber zugleich ergriff auch
eine schon beinahe unnatürliche Ruhe von ihr Besitz. Was sie erlebte, war nicht
nur der schiere Horror, sondern auch vollkommen unmöglich, und vielleicht war
es gerade die völlige Absurdität dieses Augenblicks, die es der Angst letzten
Endes verwehrte, sie endgültig zu lähmen. Einem Teil von ihr war nur zu klar,
wie gering

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