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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nichts anderes
als ihre Schuld in diese grauenhafte Lage gekommen waren und sterben würden.
    Genau wie sie.
    Ganz plötzlich und mit einer Kälte, die sie selbst
erschreckte, wurde ihr klar, wie erbärmlich gering ihre Chancen waren, lebend
hier herauszukommen. Die beiden Burschen – Kinder hin oder her – waren nicht
nur jeder für sich stärker als sie, sondern zu allem entschlossen und noch dazu
bewaffnet, und der Beweis dafür, dass man Aisler nicht umbringen konnte, stand
leibhaftig vor ihr. Es war vorbei, dachte sie bitter. Selbst wenn ihre Kollegen
schon auf dem Weg zu ihr waren, selbst wenn sie in diesem Moment und mit
gezogenen Waffen in den Keller gestürmt wären, würden sie zu spät kommen. Es
war vorbei.
    Der Gedanke weckte ihren Trotz. Nein, so einfach würde sie nicht
aufgeben.
    Â»Ich werde mich nicht wehren«, fuhr sie fort. Ihre Zunge fuhr ohne
ihr Zutun über ihre Lippen, die plötzlich rissig und ausgedehnt waren und sich
anfühlten, als würden sie beim nächsten unvorsichtigen Wort einfach aufplatzen.
»Ich gebe euch mein Wort, dass ich nicht wegzulaufen versuche und mich auch
nicht wehre … wenn ihr die beiden Mädchen gehen lasst.«
    Aislers Augen wurden schmal. Frank schwang sein Messer, aber Aisler
hielt ihn mit einer raschen Bewegung seiner unbewaffneten Hand zurück und sah
sie weiter nachdenklich und mit schräg gehaltenem Kopf an. Der Schatten an der
Decke über ihm schien zustimmend zu nicken.
    Â»Du meinst das wirklich ernst, wie?« Er klang beinahe überrascht.
»Du hast dich kein bisschen verändert. Edel und selbstlos bis zum Letzten,
wie?« Er lachte leise. »Aber ich finde, so viel Edelmut muss belohnt werden.«
Seine freie Hand glitt in die Manteltasche und tauchte mit einem
zusammengeklappten Stilett wieder auf. Als er die Klinge mit einem hässlichen
metallischen Geräusch herausschnappen ließ, spannte sie sich instinktiv – und
hielt den Atem an, als er das Messer umdrehte und ihr die Waffe mit dem Griff
voran hinhielt.
    Â»Was … soll das?«, fragte sie. Auch Frank riss ungläubig die Augen
auf, und sein jüngerer Kumpan hob die Pistole und zielte nervös in ihre
Richtung; und damit genau auf Aisler, der zwischen ihr und ihm stand.
    Â»Du kannst es dir aussuchen«, sagte Aisler böse. »Nimm das Messer.
Los schon.«
    Er wiederholte seine auffordernde Geste, und Conny griff zögernd
nachdem Messer und nahm es an sich. Aisler trat mit einem raschen Schritt
zurück und damit nicht nur aus der unmittelbaren Reichweite des Messers,
sondern auch aus der Schusslinie der Magnum.
    Â»Was wird denn das?«, fragte Frank misstrauisch. »High Noon im
Keller?«
    Aislers Gesicht verzog sich erneut zu jener schrecklichen Grimasse,
die er für ein Grinsen zu halten schien. Der Hautsack auf der linken Seite
seiner Fratze bewegte sich, als wollte das, was immer auch darin eingesperrt
war, nunmehr mit aller Gewalt heraus. »Nicht doch«, spottete er. »Wir wollen
doch fair bleiben, oder? Du kannst es dir aussuchen.«
    Das Messer lag schwer und verlockend in Connys Hand, und ein
winziger Teil von ihr überlegte, wie groß ihre Chancen wohl waren, einfach
vorzuspringen und es Aisler in die Kehle zu stoßen. Vielleicht gar nicht einmal
so schlecht. Was hatte sie zu verlieren?
    Â Â»Wenn du irgendeinen Blödsinn
versuchst, lasse ich die beiden auf deine kleinen Freundinnen los. Wenn du
vernünftig bist, dann lassen wir eine laufen.«
    Â»Was soll das heißen?«.
    Â»Du kannst dir aussuchen, welche von ihnen überlebt«, antwortete
Aisler böse. »Nimm das Messer und schneide einer von ihnen die Kehle durch.Wir
lassen die andere laufen. Du hast mein Wort darauf.«
    Â»Das ist Wahnsinn«, sagte Conny schleppend.
    Â»Nein, es ist ein fairer Handel«, antwortete Aisler. »Aber
entscheide dich. Ich weiß nicht, wie lange ich meine Jungs noch zurückhalten
kann. Such eine von ihnen aus, oder wir töten beide.«
    Natürlich wusste Conny, dass er log. Es war nur eine weitere
Grausamkeit, die er sich ausgedacht hatte, um sie zu quälen. Und doch ertappte
sie sich dabei, sich ernsthaft zu fragen, welche der beiden sie wählen würde.
Was, wenn er gegen jede Wahrscheinlichkeit Wort hielt und eins der beiden
Mädchen gehen ließ? Hatte sie das Recht, beide zum Tode zu verurteilen, weil
ihr die Kraft fehlte, die andere

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