Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sie nicht
an!« Er machte eine blitzende Geste mit seiner eisernen Kralle. »Nehmt euch die
beiden Kleinen da und macht mit ihnen, was ihr wollt, aber das Miststück gehört
mir!«
    Für einen winzigen Moment war Conny fast sicher, dass Frank Aislers
Worte einfach ignorieren und sich auf sie stürzen würde, um ihr die Kehle
durchzuschneiden. Seine Augen loderten vor Mordlust, und sie konnte geradezu
sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Aber dann erlosch sein Zorn und
machte etwas anderem und ungleich Böserem Platz, der Vorfreude auf etwas, das
tausendfach schlimmer war als der Tod. Nach einer weiteren Sekunde trat er –
widerwillig – zurück; wenn auch nicht, ohne noch einmal mit seiner Messerklinge
in ihre Richtung zu deuten.
    Wieder hatte Conny das Gefühl, eine unsichtbare Bewegung in den
Schatten wahrzunehmen; ein lautloses Huschen und Wogen. Diesmal nicht unter
Aislers Gesicht, sondern hinter und ein Stück über ihm;
als gleite etwas Lautloses und Großes an der unsichtbaren Decke heran.
    Conny schüttelte den Gedanken ab, als sie ein neuerliches Schluchzen
hinter sich hörte. Diesmal gelang es ihr, den Blick von Aislers schrecklich
verunstaltetem Gesicht zu lösen und zur Tür zu sehen. Sie konnte die Mädchen
nicht sehen, aber Frank nutzte die Gelegenheit, um rasch an ihr vorbei und in
den angrenzenden Raum zu schlüpfen. Etwas klatschte. Aus dem Schluchzen wurde
ein Wimmern, das nach einem zweiten und noch lauteren Schlag verstummte. Dann
kehrte Frank breit grinsend zurück. Der andere Junge nickte anerkennend.
    Â»Hört auf.« Connys Stimme war ein wenig fester geworden, wenn auch
nicht lauter, und ihre Hände zitterten noch immer. Dennoch fanden ihre Gedanken
allmählich zu ihrem normalen, logischen Ablauf zurück.
    Nicht, dass ihr das Ergebnis gefallen hätte.
    Â»Aufhören? Warum sollten wir?«, fragte Aisler. »Wo wir doch noch
nicht einmal angefangen haben …« Er versuchte zu grinsen, aber sein schrecklich
zerstörtes Gesicht machte eine Grimasse daraus. Erneut verspürte Conny den Odem
des Todes, als er sich bewegte. Und auch der Schatten war wieder da, lautlos
und dräuend und unvorstellbar groß, ein riesiges Ding aus
geballter Dunkelheit und schlagenden Schwingen, das einer rauchigen Fledermaus
gleich an der Decke herankroch und sich Aisler und den beiden Jungen näherte.
    Conny zwang sich, ihren Blick von dem unheimlichen Spiel der
Schatten und ihrer eigenen überbordenden Phantasie zu lösen und den toten Mann
vor sich anzusehen. Bisher hatte sie sich noch einreden können, dass es nur
ihre Nerven waren, die ihr einen bösen Streich spielten, doch nun war ihr diese
Ausrede genommen: Er stank tatsächlich nach
Verwesung, ein süßlicher, in der Kehle würgender Gestank, der eine blitzartige
Assoziation von reißendem Stahl und alles verschlingendem Schmerz in ihr
auslöste. Obwohl sie es nicht wollte, wäre sie ein Stück vor ihm
zurückgeprallt, hätte die rissige Wand in ihrem Rücken sie nicht daran gehindert.
    Ein schmutziges Grinsen huschte über Franks Gesicht, und er
fuchtelte mit seinen Messer herum. »Schau an, schau an«, sagte Aisler
spöttisch. »Lara Croft bekommt es doch nicht etwa mit der Angst zu tun?«
    Â»Doch«, antwortete Conny. »Wenn du mir Angst machen wolltest, dann
hast du es geschafft. War es das?«
    Â»Nicht … ganz«, antwortete Aisler. Das bleiche Streulicht der
Taschenlampen brach sich auf den Klingen seiner künstlichen Raubtierklaue und
ließ den geschliffenen Stahl aufblitzen, ein Bild, das an nichts anderes als
Schmerz erinnerte. Aber es brach sich auch noch auf etwas anderem, Düsterem,
das riesig und dräuend und mit weit gespreizten Schwingen über ihnen an der
Decke lauerte.
    Â»Aber es ist ein Anfang«, schloss Aisler. Er machte eine Geste mit
der freien Hand. »Haltet sie fest.«
    Â»Das ist nicht nötig«, sagte Conny rasch, als Frank und der zweite
Junge seinem Befehl unverzüglich nachkommen wollten. Plötzlich rasten ihre
Gedanken. Sie hatte die Wahrheit gesagt: Sie hatte Angst,
Angst wie noch nie zuvor in ihrem Leben; Angst vor diesem … Ungeheuer, das von den Toten zurückgekommen war, um sie mit sich in sein finsteres
Reich zu nehmen und ihr unbeschreibliche Dinge anzutun, Angst vor dem Tod und
vor Schmerz, aber auch Angst um die beiden Mädchen, die durch

Weitere Kostenlose Bücher