Unheil
eines
der Mädchen die Worte überhaupt hörte. »Was immer passiert, ihr bleibt auf
keinen Fall stehen, habt ihr das verstanden?«
Mirjam nickte zwar, was aber nichts daran änderte, dass Conny es
besser wusste. Weder Tess noch Mirjam würden irgendwo hingehen ohne ihre Hilfe.
Und vielleicht nicht einmal mit ihrer Hilfe.
Zurück im Keller erwartete sie ein geradezu bizarrer Anblick: Sowohl
Aisler als auch seine beiden jugendlichen Mitläufer waren wieder auf den Beinen
und gingen zu dritt auf Vlad los, der sich zwar erstaunlich gut hielt, es
jedoch mit drei Gegnern zu tun hatte, von denen mindestens zwei nicht nur
gefährlich, sondern auch ein eingespieltes Team waren, wie es aussah: Vlad
schwang seinen Stockdegen mit ebenso groÃem Geschick wie Schnelligkeit, aber
die beiden attackierten ihn abwechselnd und so rücksichtslos, dass er die
überlegene Reichweite seiner Waffe kaum ausspielen konnte. Frank blutete zwar
aus einem hässlichen Schnitt, der sich quer über sein Gesicht zog. Conny
bezweifelte dennoch, dass Vlad sich noch lange würde halten können: Aisler
mochte aussehen (und riechen) wie ein lebender Toter, aber er bewegte sich wie
ein Derwisch mit einer Tigerkralle, die Vlad mehr als einmal bedrohlich nahe
kam.
»Lauft!«, brüllte er. »Schnell! Ich halte sie auf, so lange ich kann!«
Conny hatte nicht angehalten, während sie dem bizarren
Kampf folgte, sondern schleppte Tess und sich Schritt für Schritt weiter in die
Richtung, in der sie den Ausgang vermutete. Mirjam folgte ihnen mühsam, und
Conny ertappte sich bei dem hässlichen Gedanken, dass Tess und sie ohne sie
schneller gewesen wären, und der noch hässlicheren Ãberlegung, dass ihre
Langsamkeit vielleicht ihre einzige Chance verspielte, es gegen jede Logik doch
noch lebend hier heraus zu schaffen.
Hinter ihnen erscholl ein gellender Schrei, gefolgt von dem Geräusch
von reiÃendem Stoff und einem dumpfen Stöhnen. Conny warf einen hastigen Blick
über die Schulter zurück und sah, dass Frank auf die Knie gesunken war und sich
vor Schmerz krümmte. Vlads Degen hatte ihn ein zweites Mal gezeichnet und einen
weiteren, diagonalen Schnitt quer durchs Gesicht gesetzt, nur diesmal in der
entgegengesetzten Richtung. Es sah aus wie ein Foto, das jemand mit rotem
Filzstift durchgestrichen hatte. Aber allem Anschein nach war es ein Pyrrhussieg
gewesen, denn auch Aislers Tigerkralle hatte ihr Ziel getroffen. Vlads Mantel
hing über der linken Schulter in Fetzen und war nass und schwer von seinem
Blut.
»Tom!« brüllte Aisler. » Die Schlampen! Lass sie nicht entkommen! Knall sie ab!« Vlad
attackierte ihn mit seinem Degen, und Aisler parierte den Angriff mit einem
Hieb seiner Stahlklaue, der die zerbrechliche Waffe eigentlich hätte
zerschmettern müssen. Hinter ihm versuchte der zweite Junge auf Conny zu
zielen, hatte damit aber ebenso wenig Erfolg wie zuvor bei Vlad, schlieÃlich
wollte er nicht Gefahr laufen, statt seines eigentlichen Ziels Aisler zu
treffen. Er gab es mit einem Fluch auf und machte zwei Schritte zur Seite, um
mit gespreizten Beinen Aufstellung zu nehmen und beidhändig und mit durchgedrückten
Armen auf sie zu zielen; die jugendliche Ausgabe von Dirty Harry, dadurch
jedoch nicht weniger gefährlich.
»Mirjam! Runter!«
Connys Schrei ging in dem lauten Knall unter, mit dem sich die Waffe
entlud. Der Schuss hätte zweifellos getroffen, doch es kam genauso, wie Conny
erwartet hatte: Der Junge hatte zwar eine perfekte Combat-Haltung angenommen,
wie er sie zweifellos aus unzähligen Action-Filmen und Computerspielen kannte,
aber er hatte ebenso zweifellos noch nie eine richtige Waffe in Händen gehalten,
und schon gar nicht so eine: Der enorme Rückschlag
der Magnum riss seine Arme in die Höhe, brach ihm beide Handgelenke (Conny
konnte es hören!) und die Kugel schlug Trümmer und
Funken aus der Decke über ihren Köpfen, während Tom mit einem schrillen Kreischen
auf die Knie fiel und fassungslos seine Hände anstarrte. Dort, wo der
zersplitterte Knochen die Haut durchstoÃen hatte, bluteten seine Gelenke wie
die Mirjams.
»Lauft!«, schrie Vlad noch einmal. »Ich beschäftige sie, so lange
ich kann!«
Was möglicherweise nicht mehr lange war. Aisler ging immer heftiger
und rücksichtsloser auf ihn los. Vlad schwang seinen Stockdegen mit der
Virtuosität eines Künstlers und bewegte
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