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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weitersprach. »Es tut
mir leid. Er hat Sie immer so genannt, nicht wahr? Das hatte ich vergessen.«
    Â»Er nennt mich noch so.« Conny hätte sich
für diese Worte selbst ohrfeigen können. Wenn er denn überhaupt je wirklich
existiert hatte, so hatten ihre eigenen Worte den Zauber des Augenblicks
endgültig zerstört. Die Realität hatte sie wieder.
    Falls es so etwas wie Realität überhaupt noch gab.
    Â»Sie denken tatsächlich, dass es Aisler war?«, fragte Trausch. Conny
lauschte vergeblich auf einen Unterton von Spott in seiner Stimme. Es war nur
eine Frage, mehr nicht. Trotzdem fiel ihre Antwort hörbar schärfer aus, als sie
selbst beabsichtigt hatte.
    Â»Nein«, sagte sie. »Das glaube ich nicht.
Ich weiß es. Ich habe ihm gegenübergestanden. Er war
nicht weiter entfernt von mir als Sie jetzt.«
    Trausch blieb unbeeindruckt. »Und Sie sind ganz sicher, dass es
Aisler war? Nicht nur jemand, der sich für ihn ausgegeben hat?«
    Â»Wenn, dann war es ein verdammt guter Doppelgänger«, erwiderte sie.
»Oscarverdächtig, würde ich sagen. Er hat nicht nur so ausgesehen wie er, er war Aisler, verstehen Sie?«
    Â»Ich glaube, ja«, antwortete Trausch. »Aber trotzdem … sind Sie ganz
sicher? Ich meine: Dort unten war es dunkel. Das reinste Labyrinth, und Sie
waren in einer Ausnahmesituation. Immerhin wird man nicht jeden Tag von einer
Bande ausgeflippter Jugendlicher mit Messern bedroht.«
    Â»Es soll Leute geben, denen das sogar zweimal an einem Tag
passiert«, antwortete Conny.
    Trausch schwieg einen Moment, und Conny fragte sich schon, ob sie
ihn mit ihrer Antwort vor den Kopf gestoßen hatte, doch dann zuckte er nur mit
den Schultern und griff nach seinem Glas, um einen ebenso bedächtigen wie
winzigen Schluck zu trinken. Vielleicht war das schon das Geheimnis, dachte
Conny, warum dieser Wein weder Kopfschmerzen noch einen Kater verursachte: Wenn
er in dem Tempo weitertrank, dann reichte dieses eine Glas problemlos bis
morgen früh.
    Â»Also gut. Tun wir einfach mal so, als wäre es wirklich Aisler
gewesen. Welche Rolle spielt es auch schon? Außer uns beiden wird nie
irgendjemand von diesem Gespräch erfahren, nicht war?«
    Â»Wenn Sie niemandem davon erzählen …«
    Â»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Trausch. Conny dachte
vorsichtshalber nicht darüber nach, wie das gemeint
war.
    Â»Wenn er es wirklich war, wie sind Sie ihm dann entkommen?«
    Das war die Frage, vor der sich Conny am meisten gefürchtet hatte.
Sie hatte bisher niemandem erzählt, auf wen Sie in dem Keller unter dem
verlassenen Fabrikgebäude wirklich getroffen war, weder Trausch noch Eichholz
noch irgendeinem ihrer zahllosen anderen Kollegen, die ihr im Laufe des Tages
noch zahllosere Fragen gestellt hatten. Es fiel ihr selbst jetzt schwer, dieses
eine Wort auszusprechen.
    Â»Vlad.«
    Â»Ihr geheimnisvoller Freund.« Trausch wirkte überhaupt nicht
überrascht. »Er war dort?«
    Â»Ohne ihn wäre ich nicht hier«, antwortete sie ernst. »Und die
beiden Mädchen auch nicht.«
    Â»Sie sind ja auch nicht hier.«
    Â»Sie wissen genau, was ich meine«, antwortete Conny ärgerlich. »Er
hat Aisler und die beiden Jungen abgelenkt, damit wir entkommen konnten. Ich
meine: Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, er wurde dabei verletzt.«
    Â»Und jetzt bricht Ihnen das Herz?«
    Â»Ich verstehe es nicht«, erwiderte Conny. »Ich verstehe nicht, was
er von mir will.«
    Â»Falls er überhaupt etwas von Ihnen will«, wandte Trausch ein. »Das
ist auch eine Möglichkeit. Haben Sie daran schon einmal gedacht?«
    Â»Woran?«
    Â»Dass es keinen Grund gibt«, antwortete er. »Dass er sich irgendein
armes Schwein gesucht hat, dessen Leben er zerstören kann. Und Sie haben
einfach das Pech gehabt, im falschen Moment am falschen Ort zu sein?«
    Natürlich hatte sie darüber nachgedacht. Hundert Mal. Und sie war
auch zu einer Antwort gekommen. Trotzdem tat sie so, als müsse Sie angestrengt
darüber nachdenken, um dann umso entschiedener den Kopf zu schütteln. »Nein.«
    Â»Nein – was?«
    Â»Nein, so ist es nicht. Ich wollte, es wäre so. Mit einem Verrückten
könnte ich umgehen, selbst mit einem unberechenbaren Verrückten. Aber dieser
Kerl ist … schlimmer. Er hat etwas mit mir vor. Ich weiß nicht, was, aber es
macht mir

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