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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wirklich unangenehm, obwohl (oder
vielleicht auch gerade weil) sie spürte, wie wenig es Trausch ausmachte,
darüber zu reden. Trotzdem fuhr sie fort: »Und seitdem leben Sie hier oben?«
    Â»Schon vorher«, antwortete Trausch kopfschüttelnd. »Dieser Kasten
ist viel zu groß, selbst für vier Personen. Die Kinder hatten ihre Zimmer
unten, aber meine Frau und ich haben von Anfang an hier oben gewohnt.«
    Â»Dann haben Sie dieses Zimmer ausgebaut?«
    Â»Ich?« Trausch lachte. »Gott bewahre! Ich habe zwei linke Hände,
wussten sie das nicht?«
    Â»Sie?«, fragte Conny zweifelnd.
    Â»Ich gehöre zu den Leuten, die den ADAC rufen, wenn sie eine Reifenpanne haben«, behauptete Trausch. »Das hier war
alles schon so, als wir eingezogen sind. Anscheinend haben die Vorbesitzer
angefangen, den Kasten im einen bewohnbaren Zustand zur versetzten, aber das
Schicksal hat sie dahingerafft, bevor sie sich auch um den Rest kümmern
konnten. Schade eigentlich. Von mir aus hätten Sie noch ein paar Jahre leben
und auch den Rest in Ordnung bringen können, bevor das Testament eröffnet
wurde.« Er lachte. »So, ist das Verhör damit beendet?«
    Â»Das sollte kein …«, begann Conny verlegen, bemerkte das spöttische
Glitzern in seinen Augen und brach mitten im Satz ab. Anscheinend war sie schon
wieder auf ihn hereingefallen. Sie räusperte sich unecht. »Ich werde jedenfalls
niemandem etwas sagen.«
    Â»Und wie kommen Sie auf die Idee, dass mir das etwas ausmacht?«
Trausch schnitt ihre Antwort mit einer entsprechenden Handbewegung ab und stand
auf. »Kommen Sie. Ich zeige Ihnen das Gästezimmer. Wenn Sie wollen, mache ich
uns hinterher noch eine Kleinigkeit zu essen … Sie sind doch hungrig?«
    Â»Und wie«, antwortete Conny – was ganz und gar nicht der Wahrheit
entsprach. Nach einem Tag wie heute sollte sie hungrig sein, aber sie hatte
ganz im Gegenteil das Gefühl, nie wieder im Leben auch nur einen Bissen herunterzubekommen.
Und die bloße Vorstellung, danach ins Bett zu gehen und zu schlafen, als wäre
gar nichts gewesen, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.
    Sie folgte Trausch in ein kleines, behaglich eingerichtetes Zimmer,
das wie alles hier penibel aufgeräumt und sauber war und deutlich bewohnter
wirkte. Sie war ziemlich sicher, dass es Trauschs eigenes Schlafzimmer war,
kein Gästezimmer, auch ohne einen Blick in den großen Kleiderschrank werfen zu
müssen, aber sie sagte nichts dazu. Wenn er Gentleman (und dumm) genug war,
ihretwegen auf der Couch zu schlafen und sich einen schmerzenden Rücken
einzuhandeln, sollte es ihr egal sein.
    Â»Jetzt müssen Sie sich entscheiden«, sagte Trausch, nachdem er ihr
gezeigt hatte, wo sie alles Notwendige fand. »Trauen sie meinen Kochkünsten,
oder soll ich uns eine Pizza bestellen?«
    Â»Wenn Ihr Essen besser ist als mein Kaffee …«
    Trausch tätschelte seinen nicht vorhandenen Bauch. »Bisher bin ich
jedenfalls noch nicht verhungert.«
    Â»Das beweist gar nichts«, antwortete Conny. »Vielleicht kennen Sie
ja einen guten Chinesen. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie geben mir
die Chance, meinen angeschlagenen Ruf als Hausfrau wiederherzustellen, und wir
kochen zusammen eine Kleinigkeit.«
    Hinterher kam es ihr vor, als wäre es die erste halbwegs
normale Stunde gewesen, die es seit einer kleinen Ewigkeit in ihrem Leben
gegeben hatte … dabei war nichts an dieser Stunde irgendwie normal gewesen. Es war Wochen her, dass sie das letzte Mal gekocht hatte, und Jahre, dass sie es zusammen mit einem Mann getan hatte;
oder auch nur für einen Mann.
    Und es hatte ihr noch nie so viel Vergnügen bereitet wie mit ihm;
obwohl sie eigentlich wenig mehr tat, als ihm zuzusehen. Trausch hatte sie ein
weiteres Mal überrascht, indem er sich nicht als der ganz passable Hobbykoch
outete, der zu sein er behauptet hatte, sondern als wahrer Zauberkünstler am
Herd. Spätestens beim ersten Blick in seinen Kühlschrank waren Conny doch
ernsthafte Bedenken gekommen, was ihr verspätetes Abendessen anging – er war
zwar ungleich größer und moderner als ihr eigener und musste trotzdem irgendwie
mit ihm verwandt sein, denn er war genauso leer. Trausch hatte nur gegrinst und
sich über die diversen Küchenschränke und Schubladen hergemacht, um ein Resteessen zusammenzusuchen, wie er es bezeichnete

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