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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Plötzlich sah er
sie auf genau jene sonderbare Art an, vor der sie sich so sehr gefürchtet
hatte, aber nur für einen ganz kurzen Moment, dann wurde er wieder ernst und
sehr nachdenklich. »Ich verstehe. Sie wollen den Advocatus
Diaboli spielen. Warum eigentlich nicht? Eliminieren wir einfach alle
unsinnigen Antworten, dann bleibt am Ende vielleicht die Wahrheit übrig.«
    Â»Wenn es so etwas wie Wahrheit gibt«, murmelte sie. Die Worte
klangen selbst in ihren eigenen Ohren zumindest … sonderbar, aber es war seltsam:
Jetzt, wo die Grenze, vor der sie sich so sehr gefürchtet hatte, einmal hinter
ihr lag, machte es ihr überhaupt nichts aus, weiter auf diesem Weg zu gehen.
    Â»Wenn Sie mich fragen, gibt es keine Wahrheiten. Doch das ist ein
anderes Thema, glaube ich.« Trausch lächelte flüchtig. »Also gut, Sie haben
mich gefragt, warum der klassische Vampir aus unseren Sagen und
Horrorgeschichten nicht existiert. Die Antwort ist ganz einfach: Weil es uns
gibt.«
    Conny legte fragend den Kopf auf die Seite.
    Â»Ich kenne mich da nicht so genau aus«, fuhr er fort, »aber verhält
es sich in der Legende nicht so, dass jeder, der von einem Vampir gebissen
wird, seinerseits zum Vampir wird und sich dann ein neues Opfer sucht, das er
auch wieder beißt und es ebenfalls zum Vampir macht, und so weiter und so
weiter? Wenn es so wäre, dann müsste die Welt längst voller Vampire sein, und
uns gäbe es nicht mehr. Es ist wie die Geschichte mit dem Schachbrett und dem
Reiskorn. Legen Sie ein Korn auf das erste Feld, zwei auf das zweite, vier auf
das dritte und acht auf das vierte …« Er zuckte die Achseln und machte zugleich
eine flatternde Handbewegung, die wohl so etwas wie Unendlichkeit andeuten sollte.
»Am Anfang ist es harmlos, aber irgendwann kippt die Sache, und die Zahl der
Reiskörner ist größer als die der Atome im ganzen Universum.«
    Â»Ich weiß, was eine mathematische Progression ist«, sagte Conny.
    Â»Dann wissen Sie auch, warum es diese Art von Vampiren nicht geben
kann«, dozierte Trausch. »Aber ich war noch nicht fertig. Sie haben mich
gefragt, ob ich an Vampire glaube. Ja. Das tue ich. An eine andere Art von
Vampiren. An Menschen, die absolut böse sind. An kranke Ungeheuer, die nichts
anderes können, als Unheil und Leid zu verbreiten und zu zerstören. Die kein
anderes Vergnügen kennen, als die Existenz anderer zu vernichten und ihnen das
Leben auszusaugen. Und ihr größter Triumph ist es, ihre Opfer nicht zu töten,
sondern sie am Ende genau so zu machen, wie sie selbst sind. An solche Vampire
glaube ich. Ich bin ihnen oft genug begegnet.« Sein Blick wurde auf eine schwer
fassbare, aber beunruhigende Art ernster. »Wenn das, was Sie mir über Ihren
Freund erzählt haben, wahr ist, dann ist er ein solcher Vampir. Passen Sie auf,
dass Sie ihm nicht zu nahe kommen, Conny. Sie könnten verbrennen.«
    Die Worte jagten ihr Angst ein, denn Trausch sprach genau das aus,
was sie tief in sich die ganze Zeit über gespürt hatte. Zugleich war es
schlimmer. Wenn er recht hatte (und er hatte recht,
verdammt noch mal!), dann war es längst zu spät. Sie war dem Licht schon viel
zu nahe gekommen.
    Â»Was genau will er von ihnen?«, fuhr er nach einem neuerlichen, noch
unbehaglicheren Schweigen fort. »Er hat Ihnen ein Angebot gemacht, nicht wahr?
Welche Gegenleistung verlangt er?«
    Conny starrte ihn an. Sollte sie jetzt erschrocken oder einfach nur
verblüfft sein?
    Â»Sie reden, als wären Sie ihm schon begegnet«, murmelte sie.
    Â»Das bin ich«, antwortete Trausch.
    Â»Wie?«, hauchte Conny.
    Â»Oh, nicht Ihrem Vlad, keine Sorge. Aber
ich kenne ihn. Er hat oft genug mit mir gesprochen. Er tut es heute noch.
Hier.« Trausch tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. »Hier
drinnen. Glauben Sie, ich kenne seine Stimme nicht? Ich weiß, was er von Ihnen
will, und seine Argumente haben einiges für sich. Es ist nicht einmal schwer zu
begreifen: Sie können alles erreichen, was Sie wollen. Sie können all die bösen
Jungs erwischen und jedem noch so gerissenen Verbrecher das Handwerk legen. Er
bietet Ihnen seine Hilfe dabei an, und wissen Sie was? Er meint das ernst. Er
wird sein Wort halten. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, genauso zu werden
wie er. Vergessen Sie alles, was sie gelernt haben. Vergessen Sie alles, woran
Sie bisher

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