Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
zu
verbrennen. Was, dachte sie schaudernd, wenn es stimmte und Vlad tatsächlich
nichts als eine Ausgeburt ihrer eigenen Phantasie war, ein dunkler Teil ihres
Selbst, den sie mit Gesprächen und Gedanken wie diesen nur weiter
heraufbeschwor, ihn nährte und ihm Kraft gab, statt ihn zu verscheuchen?
    Â»Haben Sie …« Sie suchte fast krampfhaft nach Worten und begriff erst
dann, dass sie begonnen hatte zu reden, ohne überhaupt zu wissen, was sie sagen
wollte. Sie plapperte einfach nur, um das Schweigen nicht übermächtig werden zu
lassen und die Schatten zurückzudrängen. Etwa schien ihr den Atem zu nehmen,
eine unsichtbare Hand, die sich ihr über Mund und Nase legte und sie zu
ersticken begann; warm und weich und so unbarmherzig wie Schlamm. Vielleicht
wollte Vlad nicht, dass sie weitersprach. War da etwas wie Panik, das sie in
den Schatten spürte, vermischt mit Zorn? Konnte es sein, dachte sie verwirrt,
dass es so einfach war? Konnte sie ihn mit Worten besiegen?
    Â Â»Ja?«, fragte Trausch.
    Â»Nichts«, antwortete Conny halblaut. Plötzlich fühlte sie sich
verloren. Aus dem winzigen Eiland aus gelbem Licht, auf das Trausch und sie
sich gerettet hatten, war ein Gefängnis geworden, ein einsamer Berggipfel
inmitten eines flüsternden Meeres aus Schatten, die sie belagerten und
anstarrten und nur darauf warteten, sie in ihr dunkles Reich hinabzuzerren und
sie zu verderben. Und mit einem Mal meinte sie seine Nähe fast körperlich zu
spüren. Trausch irrte sich. Vlad war kein Gespenst. Er war real, und er war
hier. Jetzt. In diesem Raum, und in diesem Moment. Er starrte sie an.
    Â»Ich … wollte nur wissen, ob sie irgendetwas herausgefunden haben«,
setzte sie neu und noch immer mit stockender, unsicherer Stimme an. Ȇber
Aisler. Den Film.«
    Â»Nicht viel. Das Labor nimmt sich die CD Bild für Bild vor. Die Qualität ist allerdings nicht gerade berauschend. Wer
immer darauf zu sehen ist, sieht aus wie Aisler, aber
ob er es ist …« Er hob die Schultern und beugte sich wieder vor, um beide
Ellbogen und die Unterarme auf die Tischplatte zu stützen. Seine Finger
spielten mit dem Stiel des geschliffenen Weinglases, und das gelbe Licht der
Kerzen brach sich auf der dunkelroten Flüssigkeit darin und schien sie
endgültig in Blut zu verwandeln. Conny schloss die Augen und presste die Lider
so heftig zusammen, dass bunte Blitze über ihre Netzhäute flackerten und es
wehtat, doch als sie wieder hinsah, hatte sich nichts geändert. Das unheimliche
Bild blieb. »Vielleicht findet die Spurensicherung mehr heraus. Sie haben DNS -Proben vom Tatort genommen. Wenn Aisler wirklich dort
war, wissen wir es spätestens übermorgen.«
    Das wenn ärgerte sie, und anscheinend
zeichnete sich auch dieser Gedanke überdeutlich auf ihrem Gesicht ab, denn
plötzlich wirkte er ein bisschen verlegen, und sie konnte ihm ansehen, wie
angestrengt er nach etwas suchte, um diesen kleinen Fauxpas wiedergutzumachen.
    Â»Schon gut«, sagte sie rasch. »Ich verstehe. Sie … haben ja recht.
Warten wir einfach ab.«
    Â»Irgendetwas werden Sie Eichholz morgen erzählen müssen«, sagte er
sanft. Seine Finger spielten weiter mit dem Weinglas, und der Tanz der gelben
Halbmonde aus Licht wurde schneller. Etwas kroch zwischen dem Licht heran,
etwas Finsteres und Böses, das wie Licht aussah. Sie presste noch einmal und
noch fester die Augen zusammen, um die unheimlichen Bilder und falschen
Gedanken zu vertreiben, aber es funktionierte nicht. Irgendetwas … begann zu
zerbrechen. Entweder die Wirklichkeit rings um sie herum oder sie selbst.
    Â»Was ist los mit Ihnen?«, fragte Trausch. Er klang plötzlich
besorgt. Ein Gefühl, das wohltat, wenn es auch die schreckliche Irrealität
nicht wirklich vertreiben konnte.
    Â»Nichts«, behauptete sie. »Ich musste nur …« Sie zwang sich zu einem
Lächeln, oder versuchte es wenigstens. »Haben Sie mich gerade wirklich durch
die Blume aufgefordert, mir eine Lügengeschichte auszudenken, um Eichholz
zufriedenzustellen?«
    Â»Ich?« Trausch sah sie mit perfekt gespielter Empörung an. »Wie
kommen Sie auf die Idee? Sie wissen doch, dass mir
die Wahrheit über alles geht.«
    Â»Außer bei Eichholz«, vermutete sie.
    Â»Außer bei Eichholz«, bestätigte Trausch ungerührt, fügte aber auch
praktisch im selben Atemzug hinzu:

Weitere Kostenlose Bücher