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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erreichte das Ende des Gangs, warf einen raschen, aber sehr
aufmerksamen Blick in den verwaisten Kinosaal und betrat schließlich den
Durchgang zum kleineren der beiden Tanzsäle, in dem bei ihrem ersten Besuch die
bizarre Vampirschau stattgefunden hatte. Im Nachhinein hätte sie das warnen
müssen, dachte sie. Doch sie hatte noch nie an Omen geglaubt. Weder an gute
noch an schlechte.
    Sie lauschte abermals und vernahm auch jetzt kein Geräusch, blieb
jedoch noch einige Augenblicke lang stehen, um sich zu orientieren. Der Raum
kam ihr größer vor als bei ihrem ersten Besuch, auf unheimliche Weise
zweckentfremdet und düsterer, ohne all die Menschen und die dröhnende Musik und
zuckenden Lichter, und dabei gleichzeitig auch schäbiger. Auch wenn sie Mike
nicht sah oder hörte, konnte sie seine Nähe doch ebenso deutlich spüren, wie
sie gerade Aislers Leichengestank wahrgenommen hatte.
    Er war ganz in der Nähe, wenn auch nicht unmittelbar bei ihr.
    Sie ging weiter, erreichte den Durchgang zum vorderen Saal und sah
sich mit klopfendem Herzen um. Etwas war anders, als es sein sollte. Zunächst
konnte sie nicht sagen, was. Sie hatte ein intensives Gefühl von Gefahr; einer
Bedrohung, die unmittelbar gegen sie gerichtet war. Irgendetwas … kam näher, wie
ein Kreis aus unsichtbaren Schatten, der sich lautlos um sie herum zusammenzog
und unheimlichen und bedrohlichen … Dingen Schutz
gewährte.
    Dann wurde ihr klar, was hier nicht stimmte.
    Aislers Nachfolger. Der eigentlich mit gebrochenen Gliedern hier
liegen musste.
    Er war nicht mehr da.
    In der morschen Zwischendecke über ihr gähnte ein unregelmäßig
geformtes Loch, und dort, wo sie ihn von oben gesehen hatte, glänzte eine noch
feuchte, erschreckend große Blutlache, aber der Leichnam war verschwunden.
    Etwas knackte, und ein greller Scheinwerferstrahl richtete sich
direkt auf ihr Gesicht und ließ sie mit einem schmerzerfüllten Zischen die Hand
vor die Augen reißen. Nur eine Sekunde später gab der Scheinwerferstrahl ihr
Gesicht wieder frei und zeichnete eine verschwommene Pfütze aus Licht vor ihre
Füße. Das Knacken wiederholte sich, es war plötzlich viel lauter, und Mikes
elektronisch verstärkte Stimme sagte: »Wenn ich du wäre, würde ich mich jetzt
nicht mehr bewegen, Süße.«
    Connys Augen schmerzten noch immer. Behutsam ließ sie die Hand
sinken, blinzelte die Tränen weg und versuchte, den Ursprung der verzerrten
Stimme auszumachen, ohne dass es ihr gelang.
    Â»Ich bin hier oben, Schlampe«, dröhnte Mike aus einem Dutzend
unterschiedlicher Richtungen. »Aber wie gesagt: Rühr dich lieber nicht.«
    Conny hob blinzelnd den Kopf und sah den Jungen. Er saß in einer Art
halbrunder Kanzel, die in drei oder vier Metern Höhe an der Wand angebracht und
mit zerknitterter Metallfolie verkleidet war; vermutlich der Platz des DJ s, der normalerweise von dort oben aus die Musik- und
Lichtanlage steuerte. Jetzt hockte Mike darin … genauer gesagt, er lehnte über
der niedrigen Brüstung, hielt sich mit der linken Hand fest und umklammerte mit
der anderen eine Polizeipistole, mit der er auf sie zielte. So viel zu ihrem
weisen Entschluss, nicht nach der Waffe zu suchen.
    Â»Dumm von dir, hier herunterzukommen, Süße«, fuhr der Junge fort.
»Du hättest bei dem Alten bleiben sollen, dann würdest du vielleicht noch ein
paar Tage leben. Aber jetzt ist es zu spät. Selbst schuld.«
    Conny ignorierte seine Worte ebenso wie die Waffe, mit der er
verbissen auf sie zielte. Sie hörte die Sirenen wieder. Sie waren jetzt sehr
nahe.
    Der Junge war gute zehn oder zwölf Meter von ihr entfernt,
übernervös und hielt die Waffe noch dazu nur mit einer Hand. Seine Chancen, sie
zu treffen, waren gleich null. Statt auf seine Worte zu reagieren, machte sie
eine Kopfbewegung auf das näher kommende Sirenengeheul. »Hörst du das? In ein
paar Minuten sind meine Kollegen hier. Was glaubst du wohl, was passiert, wenn
sie dich sehen, wie du mit einer Pistole auf mich zielst?«
    Â»Keine Ahnung«, griente Mike. »Aber das wirst du kaum noch erleben,
schätze ich.«
    Â»Willst du wirklich sterben?«, fragte Conny ruhig. »Ich finde, du
bist ein bisschen jung dafür.«
    Â»Niemand stirbt. Außer dir, natürlich.« Mike wedelte wieder mit
seiner Pistole. »Und jetzt wirf das Messer weg.«
    Â»Und wenn

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