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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht?«, fragte Conny spöttisch. »Erschießt du mich dann?«
    Einen Moment lang war sie davon überzeugt, den Bogen überspannt zu
haben, denn Mikes Gesicht verzerrte sich vor Wut, und plötzlich ergriff er die
Waffe mit beiden Händen und zielte auf sie. »Wirf sofort das Messer so weit wie
möglich weg«, zischte er, »oder ich ballere das Magazin leer, mit dir als
Zielscheibe.«
    Conny wog die gefährliche Klinge in der Hand. Sie zu werfen,
erschien ihr plötzlich ausgesprochen verlockend. Hing davon ab, in welche
Richtung sie sie warf … und ob sie ihr Ziel fand, bevor der Junge Ernst machte
und zu schießen begann.
    Â»Mach bloß keinen Blödsinn, Schlampe!«, donnerte Mike. »Mein Opa hat
mich früher oft auf den Schießstand mitgenommen. Ich durchsiebe dich, bevor du
auch nur mit der Wimper zucken kannst!«
    Conny zögerte noch immer. Mike beugte sich weiter vor – und Conny
gab sich einen Ruck und schleuderte das Messer.
    Es sauste durch Luft, knallte irgendwo rechts von ihnen gegen die
Wand und fiel klappernd zu Boden.
    Mike klappte der Unterkiefer herunter und er schüttelte den Kopf,
wohl erst jetzt begreifend, welche Gefahr von dem Messer wirklich ausgegangen
war.
    Â»Und jetzt?«, fragte sie kühl. »Willst du mich jetzt erschießen?«
    Mike stieß ein nervöses Lachen aus, ließ die Pistole sinken und
schüttelte dann den Kopf. »O nein«, sagte er böse. »Das wäre zu leicht.«
    Und damit ging das Licht aus; nicht nur der grelle Scheinwerfer, der
auf den Boden vor ihr gerichtet war, sondern sämtliche Lichter.
    Selbst für Connys scharfen Blick war die Dunkelheit im
ersten Augenblick vollkommen. Das Trash hatte keine
Fenster, die Wände waren vornehmlich in schwarz gestrichen, und wo kein Licht
war, da vermochten auch die geübtesten Augen nichts zu sehen. Eine Sekunde
lang.
    Dann flammte der grelle Scheinwerferstrahl erneut auf, direkt auf
ihr Gesicht gerichtet, und verschwand wieder, gefolgt von einem zweiten,
dritten und vierten. Und plötzlich ertönte ein Zischen. Ein durchdringender
chemischer Geruch erfüllte die Luft. Trockeneisnebel zischte aus versteckt
angebrachten Düsen und hüllte sie ein, und die Scheinwerfer über ihrem Kopf
begannen zu kreisen und tauchten die Tanzfläche in stroboskopisch flackerndes
Licht, in dem sie beinahe weniger sah als in der vollkommenen Dunkelheit zuvor.
Das Knacken wiederholte sich, doch diesmal war es nicht Mikes Stimme, die aus
den Lautsprechern dröhnte. »Hallo, Miststück«, sagte eine neue Stimme.
    Conny erstarrte. Das konnte nicht Mikes Stimme sein, wohl aber die
des falschen Aislers, der sein Gesicht gestohlen und in seine Rolle geschlüpft
war.
    Â»Jetzt bist du erstaunt«, fuhr die dröhnende Lautsprecherstimme
fort. »Dabei habe ich dir doch versprochen, dass wir uns wiedersehen. Hast mir
nicht geglaubt, wie? Glaub mir, ich halte immer mein Wort.«
    Das Flackern der Lichter nahm zu, wurde hektischer und schneller,
und noch mehr verschiedenfarbige Scheinwerfer erwachten zu stroboskopischem
Leben, das den immer dichter werdenden Kunstnebel mit der Illusion tanzender
Schatten erfüllte. Doch da war keine Bewegung.
    Bis auf eine.
    Conny registrierte sie fast zu spät, warf sich herum und entging um
Haaresbreite der dreizinkigen Stahlklaue, die nach ihrem Gesicht schlug. Etwas
prallte mit fürchterlicher Wucht gegen ihre Schulter und riss sie zu Boden, und
es gelang ihr gerade noch, die Arme hochzureißen und den brutalen Tritt
abzufangen, der auf ihr Gesicht gezielt hatte. Dumpfer Schmerz explodierte in
ihren Unterarmen und ließ sie aufstöhnen, aber sie trat trotzdem zurück und
traf. Der Angreifer grunzte, torkelte zur Seite und verschwand in den
brodelnden Schwaden, und Conny sprang mit einer hastigen Bewegung auf die Füße
und jagte ihm nach.
    Nach zwei oder drei Schritten prallte sie so heftig gegen die Wand,
dass sie um ein Haar gestürzt wäre.
    Halb benommen taumelte sie zurück, fand irgendwie ihr Gleichgewicht
wieder und fuhr herum, als sie eine weitere Bewegung aus den Augenwinkeln heraus
wahrzunehmen glaubte. Sie reagierte instinktiv, riss die Arme vors Gesicht und
trat mit aller Gewalt zu. Ihr Tritt ging ins Leere, und die Kraft ihrer eigenen
Bewegung brachte sie aus dem Gleichgewicht. Wenn Aislers Nachfolger überhaupt
da gewesen war, dann war er jetzt

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