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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verschwunden …
    Sie fiel, kam mit einer geschmeidigen Rolle wieder auf die Füße und
fuhr geduckt herum. Der Tanz aus bunt flackerndem Licht und leuchtenden
Gespenstern wurde hektischer; wieder glaubte sie einen Schatten zu sehen und
traf nichts als scharf riechenden farbigen Nebel, als sie danach schlug.
    Conny wich hastig wieder zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die
Wand stieß, an der das Messer abgeprallt war, und sah sich hektisch nach rechts
und links um. Sie versuchte vergeblich, die lodernden bunten Schwaden mit
Blicken zu durchdringen. Ihre scharfen Augen wandten sich plötzlich gegen sie:
Alles, was sie erkennen konnte, waren grelle Farbblitze und tanzende Schatten,
so hell und scharf gegeneinander abgegrenzt, dass ihr Anblick wehtat , und der scharfe Chemiegeruch der Trockeneismaschine
narrte ihre Sinne zusätzlich. Ein Schemen erschien vor ihr, hackte mit einer
schartigen Eisenklaue nach ihr und war wieder verschwunden, bevor sie nach ihm
greifen konnte. Erst eine geschlagene Sekunde danach registrierte sie den
brennenden Schmerz und das warme Blut, das an ihrem Arm hinablief.
    Ihre mit einem Mal so phantastisch scharfen Sinne, die ihr bisher so
gute Dienste geleistet hatten, erwiesen sich nun als Danaergeschenk: Sie schien
im Zentrum eines gigantischen Wirbelsturms zu stehen, der nur aus gleißendem
Licht und zuckenden Farben bestand und sie so gut wie blind machte. Dieser
verrückte Junge konnte überall und nirgends sein.
    In der nächsten Sekunde war er allerdings unmittelbar vor ihr,
rammte ihr die Faust in den Leib und hackte mit seiner Klaue nach ihrem
Gesicht. Conny warf den Kopf zur Seite, die eisernen Zinken fuhren splitternd
in die Wand hinter ihr und überschütteten sie mit einem Hagel aus Kalk- und
Holzsplittern. Irgendwie gelang es Conny, ihn von sich zu stoßen, bevor er
seine Krallenhand ein zweites Mal einsetzen konnte, doch er verschwand wieder
in den zuckenden Schwaden, bevor sie ihn packen konnte.
    Conny wich mit zwei, drei schnellen Schritten von der Wand der
ehemaligen Maschinenhalle weg – den Rücken frei zu haben, war ja schön und gut,
aber so wusste er immer genau, wo sie war – duckte sich und versuchte
vergeblich, die zuckenden bunten Schwaden mit Blicken zu durchdringen. Es war
sinnlos.
    Aber vielleicht konnte sie ihn ja hören .
    Conny schloss die Augen, kämpfte die Panik nieder und konzentrierte
sich. Zuerst hörte sie nichts außer dem Zischen der Nebelmaschine und ihrem
eigenen, hämmernden Herzschlag und einem Durcheinander anderer, gleichermaßen
sinnloser wie bedrohlicher Laute, doch dann … sortierten sie
sich, als hätte etwas in ihr ein uraltes Muster erkannt, von dessen Existenz
sie bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Sie konnte ihn hören ,
so deutlich, als stünde er vor ihr: Als er das nächste Mal heranstürmte, fing
sie seinen Krallenhieb mit einer mühelosen Bewegung ab, packte seinen anderen
Arm und verdrehte ihn so hart, dass er mit einem Schmerzensschrei auf die Knie
fiel.
    Ein Orkan aus Lärm brach über sie herein und ließ sie zurücktaumeln,
kreischende Heavy-Metal-Gitarren, hämmernde Schlagzeugrhythmen und dröhnende
Bässe, die ihre Ohren marterten und sie nicht nur blind, sondern auch fast taub
machten. Ein Teil ihres Bewusstseins registrierte, wie der falsche Aisler sich
aufrichtete und davonkroch, aber sie war völlig unfähig, darauf zu reagieren.
Panik hüllte sie ein wie eine erstickende Umarmung. Sie schrie, ohne sich
dessen auch nur bewusst zu sein, und taumelte einen Schritt zurück, als ein
Schatten auf sie zuflog und eine reißende Wunde aus purer Qual über ihren
Rücken zog. Blindlings schlug sie zurück. Der Angreifer wich ihrem unbeholfenen
Hieb mit einer spielerischen Bewegung aus, tänzelte herum und versetzte ihr ein
klaffendes Mal auf dem Handrücken, bevor er wieder in dem Chaos aus Lärm und
zuckenden Lichtern und Nebel verschwand. Conny setzte ihm nach, aber das graue
Wogen hatte ihn bereits verschluckt und hämmerte nun an seiner Stelle mit
unsichtbaren Fäusten auf ihre Augen und Ohren ein; sie war nicht nur taub und
blind, sondern verloren in einem Wirbel aus kreischendem Lärm, einem tobenden
Blitzgewitter, in dem nichts anderes mehr Bestand hatte. Es würde sie zermalmen
wie ein Hagelsturm eine filigrane Statue aus hauchdünnem Glas.
    Der nächste Angriff schleuderte sie zu Boden. Noch

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