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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Jungen. Er weiß nicht, was er tut; ganz egal, was er
auch sagt.«
    Es stimmte, dachte Conny. Ihre Kollegen waren zweifellos mit gutem
Grund nervös, und die Chancen, dass sie erst schossen und dann nachdachten,
wenn sie einen Jungen in schwarzen Klamotten und mit blutigem Gesicht sahen,
der sich über einen Leichnam beugte und noch dazu ein dreißig Zentimeter langes
Messer in der Hand hielt, standen nicht so schlecht.
    Die Vorstellung gefiel ihr.
    Noch mehr befriedigte sie allerdings die Gewissheit, dass Eichholz
den Rest seines Lebens mit dem Wissen verbringen würde, dass ausgerechnet sie es gewesen war, die seinem Enkel das Leben gerettet
hatte.
    Â»Passen Sie auf den da auf!«, befahl sie mit einer Geste auf den
zweiten Jungen. Eichholz versuchte auch tatsächlich, sich in die Höhe zu
stemmen, doch der Bursche kam ihm zuvor und bewies ein erstaunliches Maß an
Vernunft, indem er die Handschelle ergriff, die Mike gerade abgestreift hatte,
und sie um das eiserne Bettgestell zuschnappen ließ. Braver
Junge . Nicht, dass er mit einem gebrochenen Knie noch irgendwohin hätte gehen können …
    Â»Bitte!«, wiederholte Eichholz weinerlich. Conny sah nicht zu ihm
zurück, nicht um ihm , sondern um sich die Peinlichkeit zu ersparen, tatsächlich Tränen auf seinem Gesicht zu sehen.
    Stattdessen trat sie rasch aus der Box heraus und blickte sich um.
    Von Mike war keine Spur zu sehen, und sie fühlte auch, dass er nicht
mehr hier oben war. Sie hätte ihn gehört, hätte seine Anwesenheit gespürt.
Wahrscheinlich war er auf dem Weg nach unten, um über seinen Meister zu wachen
und darauf zu warten, dass er zum zweiten Mal aufstand und von den Toten
zurückkehrte.
    Sie lauschte einen Moment konzentriert und dachte für einen noch
kürzeren Moment daran, die Pistole zu suchen, die der falsche Aisler ihr aus
der Hand getreten hatte, verwarf die Idee jedoch. Sie konnte sich zwar nicht
vorstellen, wie, aber sie traute Eichholz durchaus zu, sich herauszureden und
gegen jede Logik den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wenn sie ganz aus
Versehen von ihren Kollegen erschossen wurde – die sie schließlich inzwischen
für eine durchgeknallte Kriminelle halten mussten – und sein Enkel entkam.
Conny hetzte mit schnellen Schritten zur Treppe zurück, statt das
Nächstliegende zu tun und die wenigen Meter zur Tanzfläche einfach
hinunterzuspringen.
    Sie runzelte die Stirn, als ihr die Absurdität dieses Impulses
bewusst wurde, und ein knappes, verächtliches Lächeln huschte über ihre Lippen.
Wofür hielt sie sich eigentlich? Für Batgirl? Dabei fand sie im Grunde die
Vorstellung eines Sprungs in die Tiefe nicht komisch. Im Gegenteil: Tief in ihr
machte sie ihr Angst, ganz einfach, weil sie so selbstverständlich davon ausgegangen war, ihn trotz der nicht unbeträchtlichen Höhe unbeschadet zu
überstehen.
    Statt sich weiter selbst verrückt zu machen, beschleunigte sie ihre
Schritte, bis sie schließlich die Tür erreichte. Die Treppe dahinter und auch
der Flur tief unter ihr waren verlassen. Das hatte sie gewusst. Sie hätte es
schlicht und einfach gehört, wenn er dort gestanden
und ihr aufgelauert hätte, und außerdem hatte diese kleine Ratte gar nicht den
Mut für einen solchen Hinterhalt. Trotzdem blieb sie stehen und lauschte. Das
Sirenengeheul war nicht mehr zu hören – die Wagen hatten ihr Ziel entweder
erreicht und draußen auf dem Parkplatz flogen jetzt Dutzende von Türen auf, um
ebenso viele nervöse Polizisten mit mindestens genauso vielen entsicherten
Pistolen auszuspucken, oder die Wände waren in diesem Teil des Gebäudes einfach
zu dick, um das Geräusch durchzulassen. Conny war nicht ganz sicher, welcher
Möglichkeit sie den Vorzug gegeben hätte.
    Sie schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und maß die Tür zum
Raucherhof mit einem nachdenklichen Blick, bevor sie sich in die
entgegengesetzte Richtung wandte. Auch wenn es ihr subjektiv anders erschien,
konnte der Vorsprung des Jungen real nur einige Sekunden betragen, und seine
Kräfte hätten wahrscheinlich nicht einmal ausgereicht, um die schwere Tür
allein aufzubekommen. Und sollte er tatsächlich draußen sein, hätte sie ohnehin
keine Chance, ihn einzuholen, bevor er ihren Kollegen in die Arme lief.
    Außerdem hatte sie eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wo sie
ihn finden würde.
    Sie

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