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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gegenrolle geschlüpft war. Dabei
konnte diese Frau kaum älter sein als sie selbst. Vielleicht ein paar Jahre,
wenn überhaupt. Aber sie wirkte so, dass sie
vermutlich bei jedem Fremden als Mutter und Tochter durchgegangen wären. »Ich
habe nichts gegen ihre Haare. Verraten Sie mich bitte nicht, falls Sie mit ihr
reden sollten, aber ich finde diese violetten Strähnen sogar ganz hübsch. Es
geht nicht darum oder um ihre verrückten Kleider oder diese grässliche Musik.
Es ist …« Sie suchte nach Worten. »Alles eben«, sagte sie schließlich. »Wir
haben das Leben damals genossen, doch diese Kinder … manchmal kommt es mir vor,
als ob sie den Tod suchen. Vielleicht musste so etwas passieren, früher oder
später.«
    Â»Ich verstehe, was Sie meinen«, antwortete Conny. »Und bitte glauben
Sie mir: So schlimm ist es gar nicht. Ich habe ein bisschen in dieser Szene
recherchiert. Die meisten sind vollkommen harmlos. Sie spielen mit dem
Schrecken, das ist alles.«
    Â»Spielen?«, wiederholte Theresas Mutter. »Und deshalb schminken Sie
sich wie die Toten und hängen sich umgedrehte Kreuze um den Hals? Das ist für
mich kein Spiel.«
    Â»Das mit dem umgedrehten Kreuz ist …«
    Â»â€¦Â völlig harmlos, ich weiß«, unterbrach sie die andere. »Ich bin nicht
dumm, und ich bin auch keine religiöse Fanatikerin. Mein Mann und ich gehen
sonntags in die Messe, und wir beten auch vor dem Essen, aber das ist alles.
Theresa tut das nicht. Das ist auch egal. Sie ist noch jung, und irgendwann
wird sie es begreifen. Was mir Angst macht, ist …« Sie suchte abermals nach
Worten, zuckte dann erneut mit den Schultern und sagte noch einmal: »Alles.«
    Â»Das vergeht«, beharrte Conny. »Das ist nur eine Phase, glauben Sie
mir.«
    Â»Genau das habe ich auch gedacht«, seufzte Theresas Mutter. »Bis vor
zwei Jahren war sie ein ganz normales junges Mädchen, wissen Sie? Sicher, wir
hatten unsere Probleme miteinander, aber die haben alle Eltern mit ihren
Kindern – und umgekehrt –, und im Großen und Ganzen war eigentlich alles in
Ordnung. Doch dann hat sie sich … verändert. Am Anfang war es ja noch harmlos.
Sie hat sich plötzlich anders gekleidet und angefangen, diese schreckliche
Musik zu hören.«
    Sie sah Conny Beistand heischend an, aber sie schwieg. Sie
verzichtete darauf, ihr zu verraten, dass in ihrem CD -Regal
zu Hause eine komplette Rammstein-Sammlung stand und die eine oder andere CD von Nightwish.
    Â»Mein Mann und ich hatten gehofft, dass das vorbeigeht«, fuhr
Marianne Schneider fort. »Leider ist es das nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist
immer schlimmer geworden. Stellen Sie sich vor, sie hat ihr komplettes Zimmer
schwarz gestrichen. Sie stellt schwarze Kerzen auf, und überall hängen
schreckliche Poster voller Grabsteine und solcher Sachen. Ich glaube, wenn wir
es zulassen würden, dann würde sie sogar in einem Sarg schlafen .
Das ist nicht gesund.«
    Das klang tatsächlich ein bisschen extrem, fand Conny. Aber
eigentlich auch nicht so schlimm, wie die grauhaarige Frau tat. »Und jetzt
möchten Sie, dass ich mit ihr rede«, vermutete sie.
    Â»Ich würde es niemals wagen, Sie darum zu bitten«, antwortete
Theresas Mutter verlegen. »Nach allem, was Sie für uns getan haben.«
    Natürlich würde sie das wagen, dachte Conny. Eigentlich hatte sie es
ja gerade getan. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie aus keinem anderen Grund
gekommen war.
    Â»Ich glaube, dass … also immerhin haben Sie ihr das Leben gerettet.
Vielleicht hört sie ja auf Sie. Nach dem, was passiert ist …«
    Â»Vielleicht war es ja ein heilsamer Schock«, sagte Conny.
    Â»Ein heilsamer Schock?« Theresas Mutter zog eine Grimasse. »Sie
hätten die Gestalten sehen sollen, die heute Morgen im Krankenhaus aufgetaucht
sind. Das reinste Horrorkabinett.«
    Conny fühlte sich für einen Moment hilflos. Was erwartete diese
vollkommen fremde Frau von ihr? Einmal ganz davon abgesehen, dass sie weder mit
Kindern umgehen konnte noch jemals irgendeinen Draht zu ihnen gehabt hätte –
sie kannte das Mädchen ja nicht einmal. »Ich kann
Ihnen die Adresse des psychologischen Dienstes geben«, sagte sie vorsichtig.
»Oder mit einem meiner Kollegen sprechen, damit er Ihnen jemanden schickt.«
    Â»Psychologischer Dienst?«, wiederholte

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