Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Theresas Mutter. So, wie sie
es aussprach, klang es wie etwas Anstößiges. Conny kannte diese Reaktion. Viele
Leute gingen sofort in Abwehrhaltung, wenn sie das Wort Psychologe auch nur hörten. So ganz frei war sie von diesem Reflex ja selbst nicht.
    Â»Ich weiß, das klingt schrecklich«, sagte sie hastig. »Aber glauben
sie mir, das sind gut ausgebildete Leute, die wissen, was sie tun.«
    Theresas Mutter sagte nichts. Sie wirkte enttäuscht.
    Â»Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen«, fuhr Conny fort, »doch ich
fürchte, für diese Aufgabe bin ich die Falsche. Ich konnte noch nie besonders
gut mit Kindern umgehen. Vielleicht ist das auch der Grund, aus dem ich zur Polizei
gegangen bin, statt Kindergärtnerin zu werden. Die Kunden, mit denen ich es zu
tun habe, sind es gewohnt, verprügelt zu werden. Ich werde sogar dafür
bezahlt.«
    Der Scherz – der ohnehin keiner war – funktionierte nicht. Die
grauhaarige Frau wirkte nur noch enttäuschter und vielleicht sogar ein bisschen
verbittert. »Ja«, gab sie zu. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hätte
Sie nicht so überfallen dürfen. Es tut mir leid.«
    Â»Das muss es nicht«, sagte Conny rasch. »Im Gegenteil. Ich freue
mich, dass Sie gekommen sind. Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich jemand
bei uns bedankt, dem wir geholfen haben.«
    Â»Das ist ja wohl das Mindeste«, antwortete Theresas Mutter. Sie
hatte sich erstaunlich schnell wieder in der Gewalt und lächelte nun sogar
wieder. Conny spürte die Enttäuschung, die sich unter dieser Maske verbarg. Ihr
schlechtes Gewissen meldete sich, aber sie gestattete ihm nicht, allzu laut zu
werden. Sie hatte wahrlich genug eigene Probleme am Hals.
    Â»Also dann …« Die verhärmt wirkende Frau räusperte sich unbehaglich.
»Ich muss jetzt wieder gehen. Sie brauchen Ihre Ruhe, und ich habe auch noch
eine Menge zu tun. Es tut mir wirklich leid. Ich hätte Sie nicht so überfallen
dürfen.« Natürlich wartete sie darauf, dass sie ihr widersprach oder sie gar
zum Bleiben aufforderte, und ein Teil von ihr wollte das sogar – aber sie
brachte ihn erfolgreich zum Schweigen.
    Das Waschbecken begann überzulaufen, als sich Theresas Mutter
umdrehte, um das Krankenzimmer zu verlassen. Sie hatte die Hand schon auf der
Klinke, machte dann jedoch wieder kehrt und eilte zum Becken, um den Hahn
zuzudrehen. Es platschte leise, als sie in die kleine Pfütze trat, die sich
bereits unter dem Waschbecken gebildet hatte.
    Â»Oh, das … tut mir leid«, sagte sie verlegen. »Ich … besorge gleich
einen Lappen und wische das weg.«
    Â»Schon gut«, sagte Conny rasch, als sie tatsächlich Anstalten
machte, sich auf der Stelle umzudrehen, um sich auf die Suche nach Wischmopp
und Eimer zu machen. »Das können die Schwestern erledigen.« Sie lächelte
unecht. »Ich bin sicher, sie sind es gewohnt, viel Schlimmeres aufzuwischen.«
    Â»Wenn Sie … meinen«, antwortete Theresas Mutter unsicher. Sie wirkte
verwirrt und mehr als nur ein bisschen schuldbewusst und wusste plötzlich nicht
mehr, wohin mit ihren Händen, und Connys schlechtes Gewissen meldete sich nun
doch.
    Â»Ist sie hier im Krankenhaus? Ihre Tochter, meine ich.« Marianne
Schneider nickte. Sie sah plötzlich noch erschrockener aus. »Ja. Oben, auf der
Intensivstation. Ich meine: Sie war bis heute Morgen dort. Vor zwei Stunden
haben sie sie verlegt, und …«
    Â»Dann könnten wir doch eigentlich zu ihr gehen, oder?«, hörte Conny
sich beinahe zu ihrer eigenen Überraschung fragen.
    Die zierliche Frau wirkte jetzt vollkommen verblüfft – und
seltsamerweise beinahe noch erschrockener. »Schon. Aber ich möchte Sie wirklich
nicht …«
    Â»Das tun Sie nicht«, unterbrach sie Conny, noch bevor sie auch nur
zu Ende sprechen konnte. »Ganz im Gegenteil. Ich muss mich bei Ihnen
entschuldigen, dass ich so unhöflich war.« Sie setzte sich weiter auf, was den
elektronischen Wachhund neben ihrem Bett zu einem weiteren piepsenden und
pfeifenden Wutanfall veranlasste, biss die Zähne zusammen und begann vorsichtig
das Sammelsurium von Elektroden und Sensoren herunterzupflücken, das an den
unmöglichsten Stellen ihres Körpers angeklebt war. Es tat ziemlich weh, aber
sie machte weiter, auch wenn ihr der Schmerz beinahe die Tränen in die Augen
trieb.
    Â»Sind

Weitere Kostenlose Bücher