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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wort zu sagen. Der Arzt machte eine kleine, aber befehlende
Geste in ihre Richtung, von der Conny vermutete, dass sie ihr nun endgültig die
lebenslange Feindschaft der Oberschwester einbrachte.
    Â»Zehn Minuten«, versprach sie. »Keine Sekunde länger.«
    Bevor sie losgehen konnte, machte der Arzt eine rasche, abwehrende
Geste und zugleich eine Kopfbewegung hinter sich. »Nehmen Sie den
Personalaufzug dort hinten. Wir haben die Abteilung dicht gemacht, aber wenn
Sie nach draußen gehen, laufen Sie ungefähr einer Million Reportern in die Arme
und schaffen es nicht einmal bis zum Lift.«
    Â»So schlimm?«, fragte Conny.
    Â»Schlimmer«, antwortete er. »Und jetzt beeilen Sie sich. Ihre Zeit
läuft.«
    Conny bedankte sich mit einem stummen Blick – und einem zuckersüßen
Lächeln in Richtung der Krankenschwester, nur um das Kriegsbeil zwischen ihnen
noch ein bisschen zu wetzen – und humpelte dann rasch los, bevor er es sich
vielleicht doch noch anders überlegen konnte. Theresas Mutter folgte ihr. Sie wirkte
jetzt noch verstörter und schuldbewusster als zuvor, aber sie sagte kein Wort,
bis sie den Aufzug betraten und Conny ihr einen fragenden Blick zuwarf.
    Â»Die Fünfte.«
    Eine weitere Sekunde lang sah sie sie einfach nur unschlüssig an,
dann fuhr sie zusammen und beeilte sich plötzlich, den entsprechenden Knopf zu
drücken. Der Aufzug setzte sich rumpelnd in Bewegung und hielt schon nach ein
paar Sekunden wieder an. Der Krankenhausflur unterschied sich so wenig von dem,
aus dem sie gerade kamen, dass sich Conny fast fragte, ob sich der Aufzug
überhaupt von der Stelle bewegt hatte. Theresas Mutter trat jedoch ohne das
geringste Zögern an ihr vorbei und nach links, um eine von zahlreichen
gleichförmigen Türen anzusteuern, die es auf beiden Seiten des langen Flurs
gab. Etwas daran war jedoch anders als bei den anderen: Gleich neben der Tür
saß ein uniformierter Polizeibeamter auf einem Stuhl, der mit offenen Augen zu
schlafen schien, dann aber mit einem plötzlichen Ruck aufsprang, als er ihre
Annäherung bemerkte, und sie eindeutig erschrocken anstarrte. Dann erkannte er
offensichtlich Theresas Mutter – vielleicht auch Conny – und wich hastig zur
Seite.
    Marianne Schneider öffnete die Tür, trat ein und blieb so abrupt
stehen, dass Conny um ein Haar gegen sie geprallt wäre. »Was haben Sie hier zu
suchen?«, fauchte sie. »Wer sind Sie?«
    Conny machte einen hastigen Schritt zur Seite – schon, um nicht mit
ihrem verbundenen Arm gegen den Türrahmen zu prallen, was ganz sicher sehr
schmerzhaft gewesen wäre – und blickte in ein Zimmer, das ihrem eigenen zwei
Etagen tiefer glich wie ein identischer Abguss. Selbst das Bett stand haargenau
an derselben Stelle in dem großen, ursprünglich für drei Betten gedachten Raum.
Der Blick darauf wurde Conny jedoch zum größten Teil von einer schmalen, ganz
in Schwarz gekleideten Gestalt verwehrt, die sich beim Klang der Stimme von
Theresas Mutter erschrocken umdrehte.
    Der Anblick war so verblüffend, dass sie im ersten Augenblick
dachte, Theresa gegenüberzustehen, dem Mädchen aus dem Trash. Sie war nicht nur auf dieselbe uniforme Art gekleidet – schwarzes T -Shirt und schwarzer Rock und absichtlich zerrissene
Netzstrümpfe über einer weißen Strumpfhose –, sondern auch auf nahezu
identische Weise geschminkt, und selbst ihr Haar war auf dieselbe verrückte Art
gefärbt.
    Aber die Ähnlichkeit hielt nur eine einzige Sekunde lang, dann
erkannte sie, dass dieses Mädchen mindestens drei oder vier Jahre älter war und
mindestens zehn Zentimeter größer. Außerdem war ihr Haar in dunkelroten
Strähnen gefärbt, nicht in violetten.
    Â»Ich habe Sie gefragt, wer Sie sind!«, fuhr Theresas Mutter das
fremde Mädchen an, gab ihm aber gar keine Gelegenheit, ihre Frage zu
beantworten, sondern fuhr, beinahe schon schreiend, fort: »Raus hier!
Verschwinde! Raus, auf der Stelle!«
    Das Mädchen setzte zu einer Antwort an, beließ es dann jedoch bei
einem bloßen verächtlichen Verziehen der Lippen und ging so schnell hinaus,
dass Conny schon wieder einen hastigen Schritt zur Seite machen musste, um
nicht über den Haufen gerannt zu werden. Ganz automatisch folgte sie ihr auf
den Flur hinaus. Das Mädchen rannte nicht wirklich, ging jedoch so schnell,
dass das Ergebnis dasselbe war. Dann

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