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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich weiter in die Höhe, und ihr lädierter Arm dankte
es ihr damit, sich zum ersten Mal wieder in Erinnerung zu bringen. Und
selbstverständlich mit einer heftigen Schmerzattacke. Trotzdem sagte sie
gepresst und zum dritten Mal: »Ja?«
    Â»Also ich … ähm … ich wollte Ihnen nicht zur Last fallen, aber man … also
die Schwester hat gesagt, dass …«, stammelte die Frau, fuhr sich nervös mit der
Zungenspitze über die Lippen und setzte dann neu und mit veränderter, gezwungen
fester Stimme an: »Bitte verzeihen Sie, wenn ich Sie störe. Die
Stationsschwester war so freundlich, mich einzulassen, und ich wollte mich
unbedingt bei Ihnen selbst bedanken. Ich bin … mein Name ist Schneider, Marianne
Schneider.«
    Conny sah sie fragend, und sie beeilte sich, fortzufahren: »Ich bin
Theresas Mutter.«
    Â»Aha«, sagte Conny. Sie hätte ja gerne gelächelt, hätte ihr Arm
nicht so erbärmlich wehgetan. Sie erinnerte sich, einmal gehört zu haben, dass
eine Verstauchung deutlich schmerzhafter sein konnte als ein glatter Bruch.
Musste sie diese Behauptung eigentlich unbedingt durch eigene Erfahrung
bestätigen? »Und wer ist das?«
    Jetzt wirkte die zierliche grauhaarige Frau verwirrt, fast
erschrocken. »Sie … also … Theresa«, stammelte sie. »Sie … Sie haben ihr das
Leben gerettet. Meiner Tochter. Vorgestern, in dieser Diskothek.«
    Es verging tatsächlich noch eine geschlagene Sekunde, bis Conny
begriff. Theresa Schneider. Natürlich. Das arme Ding aus dem Trash . So oft rettete sie jungen Mädchen nun auch wieder
nicht das Leben. Sie musste wohl doch die eine oder andere Droge zu viel
bekommen haben. »Theresa, selbstverständlich. Wie geht es ihr?«
    Â»Schon viel besser. Sie wird wieder vollkommen gesund, sagen die
Ärzte. Und das hat sie nur Ihnen zu verdanken. Wenn Sie nicht gewesen wären,
dann wäre sie jetzt tot.«
    Sie schien plötzlich nicht mehr zu wissen, was sie mit dem riesigen
Blumenstrauß anfangen sollte (Conny wunderte sich ohnehin fast, dass sein
Gewicht diese zierliche Person nicht einfach nach vorne riss) und sah sich
suchend um. »Gibt es hier irgendwo eine Blumenvase?«
    Conny wusste es nicht, und für dieses Monstrum von Blumenstrauß
brauchte sie ohnehin eher einen Kübel. »Legen Sie sie einfach ins Waschbecken.
Die Schwester kümmert sich später darum.«
    Während Marianne Schneider zum Waschbecken ging und den riesigen
Strauß hineinwuchtete, setzte sich Conny behutsam weiter auf. Eines der
zahlreichen Instrumente, an die sie angeschlossen war, begann protestierend zu
piepsen und stellte sein Randalieren sofort wieder ein, als sie sich langsamer
bewegte. Zum ersten Mal fragte sie sich, warum man sie überhaupt an einen
Überwachungsmonitor angeschlossen hatte, wenn ihr doch eigentlich nichts weiter
fehlte als ein verstauchtes Handgelenk und eine harmlose Stichwunde im Bein.
    Â»Bleiben Sie liegen!«, rief Theresas Mutter alarmiert. »Wenn Sie
irgendetwas brauchen, sagen Sie es, ich helfe Ihnen.«
    Â»Das ist nichts«, sagte Conny rasch. »Es geht mir gut.«
    Die grauhaarige Frau drehte den Wasserhahn auf und kam
kopfschüttelnd näher. »Sie sind eine sehr tapfere junge Frau. Aber Sie sehen
nicht aus, als ginge es Ihnen gut.« Ungefragt – auf eine Art, die Conny wissen
ließ, wie sinnlos jeder Widerspruch sein würde – beugte sie sich vor, um ihr
Kopfkissen grade zu streichen. Dann trat sie wieder zwei Schritte zurück und
maß sie mit einem langen, kritischen Blick von Kopf bis Fuß. Ihrem
Gesichtsausdruck nach zu schließen war sie von dem, was sie sah, alles andere
als begeistert.
    Â»Das war dieser Kerl, nicht wahr? Dieses Ungeheuer hat Sie so
zugerichtet.«
    Conny nickte vorsichtig. Marianne Schneider war sicher eine
freundliche Frau, und sie war ebenso sicher in bester Absicht hergekommen, aber
sie hatte plötzlich das Gefühl, besser eine gewisse Distanz zu wahren. »Das
sieht schlimmer aus, als es ist«, behauptete sie. »Ein paar Tage Ruhe, und ich
bin wieder auf dem Damm.«
    Â»Dieses Ungeheuer«, sagte Theresas Mutter mit Nachdruck. »Welcher
Mensch tut so etwas? Es ist gut, dass Sie ihn umgebracht haben.«
    Â»Einen Menschen zu töten ist niemals gut, Frau Schneider«,
antwortete sie vorsichtig. »Und es ist auch nicht leicht.«
    Â»Einen

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