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Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien

Titel: Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Milde
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Vorhaben Form an und irgendwie weiß ich gar nicht so richtig, wie mir geschieht, als ich alles auf dem Tisch ausbreite, was ich mitnehmen will. Ich darf mich üben in der Kunst des Weglassens. Ich sollte auf meinem Weg lernen, dass man fast nichts wirklich braucht und dass in der Tat weniger mehr ist.
    Ich entscheide mich für den Aragonischen Weg, der in den Pyrenäen am Passo de Somport beginnt – wenn schon, denn schon! – und in 40 Etappen bis Santiago de Compostela führt.

Gnadenlos früh
    Um 4:30 Uhr klingelt der Wecker. Für mich eine unchristliche Zeit. Ich bin eher eine Eule, denn eine Lerche. Aber heute bin ich hellwach. Sofort! Um 5:30 Uhr holt mich Karsten ab und fährt mich zum Flughafen. Er macht sich nun doch Gedanken und redet auf mich ein, worauf ich unbedingt achten soll und dass ich unbedingt dies und jenes bedenken solle. Das ist gut so, denn ich kann mich nun darauf konzentrieren ihm zu versichern, dass ich schon gut auf mich achtgeben werde und dabei vergessen, wie sehr mir nun doch das Herz in meine Wanderhose gerutscht ist.
    Dabei ertappe ich mich schon jetzt bei der ersten Unachtsamkeit: ich gebe meinen Rucksack auf und darin befindet sich mein Handy. So kann ich nicht nochmal meinen Vater anrufen oder meine Freundin Laureen, die jetzt sicher ganz fest in Gedanken bei mir sind. Karsten versichert mir, die beiden anzurufen und ihnen liebe Grüße von mir auszurichten.
    Es ist der 27.04.04. Dieses Datum hat die Quersumme 8. Jedenfalls, wenn ich das Datum so schreibe. Irgendwie beruhigt mich das. Es ist die Lieblingszahl meines Vaters. Es soll eine gute Zahl sein. Ich habe die Begabung, mir alles positiv „hinzubiegen“. Diese Fähigkeit sollte ich noch öfter brauchen, um meinen Weg zu meistern.
    Ich fliege nach Madrid und von dort aus weiter nach San Sebastian. Ich habe Respekt vor dem Fliegen, bzw. vor dem ganzen drum herum, wie umsteigen und das richtige Gate zu finden. Aber es klappt alles und in meinem mini kleinen Notizbüchlein steht: alles gut gegangen, fühle mich geführt!

Jakobsweg ohne gelbe Pfeile
    Dann habe ich einen kompletten Knick in meinen Hirnwindungen: Ich komme an am Flughafen von San Sebastian, von wo aus mich eine reizende, französische Familie zum Bahnhof von Bayonne mitnimmt. Dort fährt mein Zug ab nach Pau, von wo aus ich Verbindung nach Oloron de Sainte Marie habe, dem letzten Ort vor meinem Startpunkt am Passo de Somport. Ich bin dort um 14.00 Uhr und mein Zug fährt erst um 17.48 Uhr. Wie soll ich diese Zeit nur überbrücken? Ich bin eingestellt auf gehen und nicht auf warten. Ich will jetzt sofort gehen. Einfach nur gehen. Nicht warten! Ich überlege mir folgendes: Wenn der Zug von Bayonne bis Pau nur ca. eine Stunde braucht, dann könne ich diese Strecke genauso gut gehen. Ich wäre dann ungefähr zur gleichen Zeit am Zielpunkt. Welch ein Trugschluss! Ich gehe! Nur, hier gibt es noch keinen Jakobsweg mit gelben Pfeilen, die mir die Richtung weisen. Ich gehe auf einer ziemlich befahrenen Landstraße. LKW-Fahrer hupen und fahren dicht an mir vorbei. Das hatte ich im Jakobsweg-Führer gelesen, dass sich die Lastwagenfahrer einen Scherz daraus machen, Pilger zu „jagen“. Es ist anstrengend. Nachdem ich schon zwei Stunden unterwegs bin frage ich einen Passanten, wie weit ich noch bis Pau hätte. Ich verstehe nicht alles, was der nette französische Herr mir sagt, aber doch so viel, dass ich das unmöglich vor Einbruch der Nacht schaffen könne.
    Nun versuche ich mein Glück mit trampen. Irgendwann habe ich das Glück, mitgenommen zu werden. Ein Franzose mittleren Alters, dem ich mit Händen und Füssen und meinem Schul-Französisch versuche zu erklären, wohin ich müsse, hatte angehalten. Ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde. Und ich habe keine Ahnung, wohin dieser nette Herr, der sich als Franc vorstellt, fährt. Wie auch immer, er nimmt mich mit. Ich führe einen inneren Dialog mit Santiago: „ Du, lieber Santiago, ich gehe Deinen Weg, also pass bitte auf mich auf und führe mich richtig!“
    Santiago sollte noch öfter auf mich aufpassen müssen!

Das Herz in der Wanderhose
    Franc fragt mich, ob ich verheiratet bin und warum ich hier alleine unterwegs sei. Ich fühle mich nicht mehr so wohl. Die Richtung der Unterhaltung gefällt mir gar nicht. Ich betone, dass ich verheiratet bin, einen Sohn habe, den ich ja wirklich habe, und erzähle munter drauf los von Daniel und meinem Mann. Das „Ex“ von Ex-Mann lasse ich vorsorglich unter den Tisch

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