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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Ohr der Eule« und »Die Wasser des Todes« sind voll von umschlingenden Dunkelheiten und Mysterien; die letzte gestaltet das bekannte Thema von der übergroßen Spinne, wie es so häufig von Verfassern unheimlicher Literatur ins Spiel gebracht wird.
    Villiers de l'Isle-Adam folgte ebenfalls der Schule des Makabren; »Die Marter der Hoffnung« erzählt von einem Gefangenen, der zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt ist, den man aber fliehen lässt, nur damit er die Qualen erneuter Gefangennahme spüre. Manche halten dies für quälendste Kurzgeschichte der Literatur. Diese Form ist aber weniger ein Teil der Tradition des Unheimlichen; vielmehr stellt sie eine eigene Gattung dar - die sogenannte CONTE CRUEL, in der dramatisches Auf-die-Folter-Spannen, das Zunichte machen von Erwartungen und grausame physische Schrecken die Emotionen quälen sollen. Ganz und gar auf diese Form eingeschworen ist der Autor Maurice Level, dessen sehr kurze Episoden sich sehr gut für Dramatisierungen geeignet haben: als »Thriller« im Grand Guignol. Der französische Genius eignet sich in Wahrheit von Natur aus besser für diesen dunklen Realismus als zur Andeutung des Unsichtbaren, denn dieser letzte Prozess erfordert zu seiner besten und einfühlsamsten Entwicklung im großen Maßstab jenen Mystizismus, der dem Geist des Nordens innewohnt.
    Ein sehr blühender, wenn auch bis vor kurzem ziemlich verborgener Zweig der unheimlichen Literatur ist die Literatur der Juden, die im Dunkel lebendig bewahrt und gespeist wurde durch das schwermütige Erbe der frühorientalischen Magie, der apokalyptischen Schriften und des Kabbalismus. Der semitische Geist scheint, wie der keltische und teutonische, deutliche mystische Neigungen zu besitzen, und der Reichtum an geheimem Wissen um das Grauen, das in Ghettos und Synagogen fortlebt, muss beträchtlich größer sein als gemeinhin angenommen. Der Kabbalismus an sich, von so überragender Bedeutung im Mittelalter, ist ein Philosophiesystem, das das Universum als Emanationen des einen Gottes erklärt und die Existenz fremder, geistiger Bereiche und Wesen lehrt, die, da von der sichtbaren Welt geschieden, sich nur in kurzen, dunklen Blicken erhaschen lassen, wozu es aber bestimmter Geheimbeschwörungen bedarf. Das kabbalistische Ritual ist verknüpft mit mystischen Interpretationen des Alten Testaments und schreibt jedem Buchstaben des hebräischen Alphabets eine esoterische Bedeutung zu - ein Umstand, der den hebräischen Buchstaben in der populären Literatur der Magie eine Art von geisterhafter Macht und Zauberkraft gegeben hat. Die jüdische Folklore hat viel von den Schrecken und Mysterien der Vergangenheit bewahrt, und sie wird, wenn sie noch gründlicher studiert würde, wahrscheinlich einen beträchtlichen Einfluss auf die Literatur des Unheimlichen ausüben.
    Die besten Beispiele ihrer literarischen Verwendung sind bis jetzt der deutsche Roman DER GOLEM von Gustav Meyrink und das jiddische Drama DER DIBBUK des jüdischen Schriftstellers, der unter dem Pseudonym An-Ski schreibt. Der Roman spielt in Prag, und mit seinen schattenhaften Andeutungen von Wundern und Schrecken, die nicht zu greifen sind, beschreibt er mit einzigartiger Meisterschaft das alte Ghetto jener Stadt mit seinen gespenstischen, spitzen Giebeln. Der Name stammt von einem sagenhaften künstlichen Riesen, den angeblich Rabbis im Mittelalter gebaut haben, und dem sie mittels einer bestimmten kryptischen Formel Leben eingehaucht haben. DER DIBBUK, 1925 in Amerika übersetzt und auf die Bühne gebracht, kürzlich übrigens auch als Oper inszeniert, schildert mit einzigartiger Kraft, wie die böse Seele eines Toten Besitz ergreift von einem Lebenden und ihn zum Besessenen macht. Golems und Dibbuks sind feststehende Typen, die in der späteren jüdischen Tradition häufig auftreten.

    7. EDGAR ALLAN POE
    In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts brach eine literarische Morgenröte an, die nicht nur die Geschichte der unheimlichen Erzählung, sondern die der erzählerischen Kurzform insgesamt beeinflussen sollte - und damit indirekt auch die Wege und Geschicke einer großen ästhetischen Bewegung in Europa gestaltete. Es ist unser Glück als Amerikaner, diese Morgenröte als unsere eigene beanspruchen zu können, denn sie nahm Gestalt an in der Person unseres berühmtesten und unglücklichsten Landsmannes Edagar Allan Poe. Poes Ruhm war immer Schwankungen unterworfen, und es ist jetzt Mode bei der »avancierten

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