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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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Ulysses – und ein wissendes Lächeln stahl sich dabei auf seine Lippen – dass er nicht die ganze Geschichte erzählte. Eines Tages würde er selbst all seine seltsamen und wunderbaren Abenteuer in seinen Memoiren niederschreiben, welche dann die Wahrheit hinter dutzenden von vermeintlich „ungelösten“ Mysterien entschlüsselten. Zweifellos würden sie es zum Bestseller schaffen, falls sich irgendjemand dazu bereit erklärte, die Dinge, die er da zum Besten gab, für bare Münze zu nehmen. Fände sich überhaupt ein Herausgeber, der auch nur die Hälfte von dem, was er erlebt hatte, glauben würde? Vielleicht wäre es besser, seine Lebensgeschichte als Belletristik zu publizieren, nur für den Fall – wenn auch einige der Auftraggeber, für die Ulysses einst gearbeitet hatte, eine solche Freimütigkeit weniger begrüßen dürften. Er fragte sich, wie viel mehr wohl die heimlichtuerischen Herren in Whitehall wussten, als er es selbst tat.
    Ulysses klappte das Umschlagpapier auf. Jemand hatte eine Karte zwischen die Falten des Päckchens geschoben. Die Nachricht darauf war von einer zarten, weiblichen Hand geschrieben worden. Ulysses Wangen röteten sich, als er die vier einfachen Worte las.
    ›Von Geneviève, in Liebe.‹
    Sorgsam legte er das Kärtchen beiseite; im selben Moment fokussierten sich seine Augen auf einen Satz in dem kleinen Artikel darunter, der dem vermissten Professor gewidmet war.
    ›Da Professor Galapagos zeit seines Lebens unverheiratet war und ihm keine Erben nachfolgen, soll im Falle einer Bestätigung seines Todes sein Besitz veräußert und die daraus gewonnenen Gelder den Kuratoren des Natural History Museum vermacht werden, um seine bahnbrechenden Arbeiten fortführen zu können.‹
    Plötzlich war er sich des Tickens der vergoldeten Bronze-Uhr auf dem Kaminsims in seinem Rücken allzu sehr bewusst. Ein Ticken aus dem Päckchen, das auf dem Schreibtisch lag, gab dumpf Antwort.
     
    In dem Augenblick vor der Explosion erschien es ihm, als sei jegliches Geräusch erloschen. Dann, innerhalb eines Wimpernschlages, tobte eine grauenhafte Katzenmusik durch den luftleeren Raum, als die Fenster im südöstlichen Teil des Hauses in einem Wirbelsturm aus Glas zerplatzten. Die schweren Vorhänge wurden von der Druckwelle nach außen geschleudert, die hölzernen Fensterrahmen zerbarsten in tausend Splitter und der Boden bebte, als Millionen winziger Glasfragmente wie diamantener Regen auf die Straße niedergingen.
    Völlig regungslos und verborgen im Schatten der düsteren Gasse betrachtete von der anderen Seite der Straße eine einzelne Person das Spektakel, als die Explosion durch das Studierzimmer des Dandys stob. Als das Echo schließlich brüllend verklang, drang das Knacken abkühlender Steine durch die Nacht, gefolgt von dem knirschenden Geräusch erhitzten Glases und dem gefräßigen Knurren des Feuers.
    Eine Limousine – ohne jegliches Kennzeichen und in amtlichem Schwarz – hielt in der Straße gegenüber der Gasse an und die Person trat aus dem Schatten hervor. Eine Locke goldbraunen Haares wippte losgelöst aus dem strengen Haarknoten an ihren Kopf. Das Tweedkostüm, dessen Schnitt der allerletzte Schrei unter Londons jüngeren, verwegenen modischen Kreisen war, akzentuierte die Kurven des straffen, weiblichen Körpers. Die vordere Beifahrertür des Automobils öffnete sich und die Frau stieg ein, wadenlange Hosen und wildlederne Stiefel definierten ihre athletischen Beine. Die junge Frau schloss die Tür. In der Dunkelheit des Innenraumes wandte sie sich dem Fahrer zu und ein siegreiches Lächeln blitzte in ihrem Gesicht auf. Jago Kane erwiderte es und seine Narbe formte es zu einer grausamen Maske des Spottes.
    »Mission vollbracht, meine liebe Geneviève?«, erklang eine überaus kultiviert klingende Stimme von der Rückbank. Sie triefte nur so vor Selbstgefälligkeit. »Oder soll ich Kitty sagen?«
    Von irgendwoher erklang Sirenengeheul. Die städtische Feuerwehr war bereits auf dem Weg.
    Geneviève Galapagos wandte sich in dem ledernen Sitz um und fixierte den in die Jahre gekommenen Staatsmann hinter sich mit einem durchdringenden Blick. »Aber natürlich doch, Mr. Wormwood«, erwiderte sie in bezirzendem Tonfall, sanft und seidig, schwer wie Schokolade. »Kitty Hawke bekommt doch immer, was sie will.«
    Dann rollte das Automobil die Straße hinunter, fort von dem brennenden Stadthaus.
     
     

Dritter Akt
     

De-Evolution:
    Theorien zur Rückentwicklung
     
     
    Juni

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