Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition)
Jugos gewesen, die sich wegen der Schulden seiner angenommen hatten, sondern ein paar Polen Mitte zwanzig, die es auf einen Joint und hundertzweiundsiebzig Kronen im Portemonnaie abgesehen hatten.
Der Mann in dem Ledermantel war aus dem Sessel aufgestanden und kam auf die Schranke zu.
Axel hatte seinen Laptop mitgenommen. Jetzt knallte er ihn auf den Tresen, rief das Bild von Enver Davidi auf und drehte den Rechner um. Sowohl die Frau als auch der Mann sahen auf den Bildschirm. Axel konnte in den Augen der beiden ein Wiedererkennen ablesen. Wieder wechselten sie ein paar Brocken auf Polnisch.
»Wohnt dieser Mann hier im Hotel?«
»Hier wohnen viele. Wie heißt er?«
»Er heißt Enver Davidi, aber er ist sicher unter einem anderen Namen hier abgestiegen.«
»Er sieht so aus wie einer, der hier wohnt. Worum geht es eigentlich?«
»Du hast gehört, worum es geht. Ich muss wissen, ob dieser Mann hier ein Zimmer gemietet hat, oder ob jemand anderes es für ihn gemietet hat.«
»Er wohnt in der 408.«
»Hat er es selbst gemietet?«
»Es wurde für ihn bezahlt, bevor er ankam. Ein Mann gab einen Umschlag mit viertausend Kronen und einen Zettel mit dem Namen und dem Datum der Anreise ab.«
»Wann war das?«
»Vor einer Woche. Er kam hier letzten Dienstag an.«
»Wie lange bleibt er?«
»Das Zimmer ist für den ganzen Monat gemietet.«
Axel starrte ihm in die Augen und schwieg. Der Ledermantel seufzte und holte einen Pass und die Kopie einer Hotelquittung hervor.
»Hier ist er. Ismet Takidi. Er hat letzten Dienstag eingecheckt. Ich weiß nicht, wie lange er bleiben wird. Ich habe ihn nur ein paar Mal gesehen.«
»Ich muss sein Zimmer sehen.«
Der Ledermantel blickte skeptisch drein, aber im selben Moment kam ein älterer Pole mit einem kräftigen grauen Schnurrbart durch eine Hintertür, der Lech Walesa wie aus dem Gesicht geschnitten war. Axel meinte, ihn schon bei seinen früheren Besuchen im Hotel gesehen zu haben. Trotz der angespannten Stimmung lächelte er.
»Was hast du da bloß für Personal eingestellt? Wohnen hier denn nur noch Polen?«, fragte Axel ihn.
»Ganz ruhig, mein Freund. Wir werden das schon klären. Wenn du sagst, jemand sei tot, und du kommst später mit einem Durchsuchungsbeschluss, dann kannst du gerne jetzt schon einen Blick in das Zimmer werfen. Es ist sicher nicht notwendig, dass wir mit nach oben gehen und dir über die Schulter schauen, oder?«
»Nein.«
»Hier wohnen zurzeit überwiegend Polen. Du weißt schon, Handwerker, viel billiger als dänische. Sie mieten gleich mehrere Zimmer zusammen, aber ein bisschen was von der alten Klientel ist immer noch da, Dänen, die am Arsch sind, Flüchtlinge, Leute aus der ganzen Welt«, sagte der Mann mit dem Schnurrbart.
Er trat hinter die Schranke, nahm einen Schlüssel und reichte ihn Axel.
»Der Pass. Ich brauche seinen Pass.«
Das Papier, das er bekam, schien zu leicht zu sein. Axel holte einen Asservatenbeutel hervor und steckte Pass samt Hotelquittung hinein.
»Ich finde selbst nach oben«, sagte er und stieg die Wendeltreppe hinauf. Ein staubiger und saurer Geruch schlug ihm auf der ersten Etage entgegen, wo sich früher einmal eine Art Lobby befunden haben musste, die aber jetzt leer und braun und dunkel vor sich hindämmerte. Er stieg weiter die abgewetzten Linoleumstufen empor. Im zweiten Stock roch es nach Kohl, der Boden knirschte und aus den Zimmern waren fremde Stimmen und polnische Fernsehsprecher zu hören. Im vierten Stock fehlte ein Teil des Teppichbodens. Vor ein paar Jahren hatte hier ein Brand zwei rumänische Frauen und ein zwölfjährigesMädchen das Leben gekostet, weil ein Nachbar vergessen hatte, die Stumpenkerze auf dem Holztisch auszupusten. Sie hätten es eigentlich schaffen können, waren aber an einer Rauchvergiftung gestorben, weil sie versucht hatten, noch ihre Koffer zu packen.
Die Tür zu Nummer 408 war zerkratzt. Axel stellte den Klingelmodus seines Handys auf lautlos. Er beugte sich vor, um zu sehen, ob der Bewohner des Zimmers etwas in den Türspalt geklemmt hatte, um ungebetene Gäste zu entlarven. Entweder war es entfernt worden, oder Davidi war nicht paranoid gewesen. Er schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete.
Im selben Moment hatte er das Gefühl, das Zimmer sei bereits durchsucht worden. Er hätte nicht sagen können, warum, doch es kam ihm so vor, als sei die Luft vor Kurzem bewegt worden, als sei eine Energie ausgelöst worden, kurz bevor er den Raum betreten hatte.
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