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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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wussten, worauf sie achten mussten. Das Leben liessen hier meist fremde Wanderer. Oder Menschen, die den Weg irrsinnigerweise in finsterer Nacht auf sich nahmen. So wie Miriam.
    Die Brüder wechselten nur einen Blick. Sie verstanden sich wortlos.
    Gregor tastete sich vorsichtig an den Abgrund heran. Dort legte er sich bäuchlings hin. Dann schob er sich noch etwas weiter vor, bis die Sicht in die Schlucht soweit möglich frei war.
    Er konnte nichts entdecken. Ein Anflug von Erleichterung liess Gregor aufatmen. Er stützte sich auf seine Hände um aufzustehen.
    Da geschah es. Der erdige Untergrund gab nach. Gregor griff ins Leere und verlor den Halt.
    "Gregor!" Martin reagierte blitzschnell. Ohne zu zögern rannte er los, setzte zum Sprung an und bekam gerade noch Gregors Beine zu fassen. Er umklammerte sie fest mit beiden Armen und verhinderte auf diese Weise, dass Gregor weiter abrutschte und schliesslich in die Tiefe stürzte.
    Während Gregor sich mit den Händen abstiess und seinen Körper so langsam auf sicheres Terrain zurück befördert, stemmte Martin die Füsse in die Erde und zog sich rückwärts. Den sicheren Boden unter sich, richteten sie sich schwer atmend auf. Beide traten sie zur abgebrochenen Kante und sahen ehrfurchtsvoll in die Tiefe.
    Gregor erschauerte beim Gedanken, dass diese zerklüfteten Abgründe um ein Haar sein Grab geworden wäre. Plötzlich griff Martin nach Gregors Arm, ohne den Blick von der Schlucht abzuwenden. Verdutzt folgte Gregor Martins Blick. Die Euphorie darüber überlebt zu haben, schwand mit einem Schlag.
    Die Abbruchstelle gab den Blick auf einen Felsvorsprung frei. Darauf lag ein schwarzer Umhang, verziert mit einer feinen Stickerei in kräftigen Rottönen. Zweifelsohne Miriams Umhang.
    „Das hat nichts zu bedeuten. Du weisst, wie der Wind hier oben toben kann.“ Es hätte gleichwohl eine Ermutigung für sich selbst, wie für Martin sein sollen. Aber es half kaum.
    Gregor drehte sich als erster ab und kehrte zurück auf den Pfad. Dort hielt er inne. Sein älterer Bruder sah nach wie vor in den Abgrund.
    „Martin, komm. Wir müssen weiter. Sonst erfahren wir nie, was geschehen ist.“
    Endlich löste sich auch Martin aus seiner Starre und folgte Gregor. Ab sofort verliess keiner mehr den Weg, bis die Hütte in Sicht kam. Ein dunkles, flaches Holzgebäude, mit Steinsockel, das oberhalb eines weitreichenden Wiesengrundstückes stand. Eingebettet zwischen Nadelholzwäldern, die sich die umliegenden Hänge hinaufzogen. Je länger der Tag dauerte, desto mehr schmolz der erste Schnee dahin und gab den Blick auf das Grün wieder frei. Alles schien in bester Ordnung.
    Doch mit jedem Schritt, den Martin und Gregor dem Gebäude näher kamen, wurde Ihnen unwohler. Wo war das Vieh?
    Das Haus schien verlassen. Kein Rauch kam aus dem Kamin, kein Licht schimmerte in den Fenstern. Kein Anzeichen von Leben.
    Die Schritte der Männer wurden immer schneller, bis sie schliesslich rannten. Gregor rief laut Rubens Namen. Martin versuchte es mit dem von Miriam. Aber sie erhielten keine Antwort.
    Was war hier los? Beim Eingang der Hütte angekommen, wollte Martin die Tür öffnen. Doch die war schon offen. Sperrangelweit. Im Innern bot sich ein chaotisches Bild. Teller und Töpfe lagen am Boden zerstreut, Schubladen waren aus den Schränken und Kommoden gerissen worden, vereinzelte Kleidungsstücke lagen überall. Vorsichtig schritten Gregor und Martin durch das heillose Durcheinander. In jedem Raum bot sich ihnen dasselbe Bild. Im Kochbereich rümpfte Gregor die Nase. Bei Martin setzte der Würgreflex ein. „Mein Gott, das stinkt hier! Was ist das?“
    Gregor trat auf den Brotkasten zu. Durch die Bewegung wurden einige Fliegen aufgeschreckt. Martin versuchte sie zu verscheuchen, als sie sich auf seinem Arm niederlassen wollten.
    Derweil öffnete Gregor den Brotkasten. „Pfui! Entweder ist Ruben schon länger weg oder er ist ein Ferkel.“
    Gregor trat zur Seite und gab den Blick auf den Brotkasten frei. Der ganze Kasten und das Undefinierbare, das noch darin lag, waren mit einem grünschwarzen Pelz überzogen.
    Fauliger Geruch nach verwesendem Fleisch stieg auf. Martin schloss die Augen und drehte den Kopf weg. Wie ekelhaft. Die Brüder verliessen die Kochecke und gingen weiter.
    Aber von Menschen keine Spur.
    Sie verliessen das Haus und suchten die Ställe dahinter auf, die sie ebenfalls leer vorfanden. Schliesslich sahen sie sich das Tenn an. Aber auch diesen Raum zwischen den Ställen

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