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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Ansage mit gehobenem Finger Richtung Tür Nachdruck. Aber ihr Besucher blieb an Ort und Stelle sitzen.
    „Miriam, jetzt hör mich an. Ich wollte es dir zwar nicht sagen, aber du lässt mir keine Wahl.“
    Der Vulkan kühlte sich leicht ab. Misstrauisch sah sie ihren Gast an.
    „Es tut mir leid. Unendlich leid. Aber was ich dir jetzt sage, wird nicht leicht.“
    Zwar war sie weiter misstrauisch, doch blieb sie stumm.
    „Die Männer haben dir nicht alles erzählt.“
    Sie ahnte das Schlimmste. Ihr Magen rebellierte, aber sie blieb aufrecht stehen.
    „Ruben hat eine Affäre.“
    Die Lava erstarrte. Irgendwie zuckte ein Kichern unter der Bauchdecke.
    „Ich weiss, du glaubst mir nicht. Aber es ist wahr. Wenn sie nicht noch auf der Alp sind, ist er mit ihr durchgebrannt. So lautete der Plan.“
    Beinahe mitleidig sah Miriam auf ihren Gast herab. „Was fällt dir eigentlich ein? Was fällt dir ein, mir einen solchen Schrecken einzujagen?“
    „Es ist die reine Wahrheit. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört und mit meinen Augen gesehen, so wahr ich hier sitze.“
    „Ach, und wann? Warst du etwa da oben? Das kann ich mir kaum vorstellen.“
    Jetzt war es an ihm wütend zu werden. Bedrohlich langsam erhob er sich und baute sich vor ihr auf. „Sag mal, für wen hältst du dich? Du glaubst mir nicht? Gut, dann geh! Such ihn! Frag die anderen Männer! Die wissen das schon lange! Du bist das Gespött des ganzen Dorfes und ahnst es nichteinmal! Ich hätte dir geholfen! Ich hätte dir die Chance gegeben, den Hof zu behalten! Nun wirst du alles verlieren. Deinen Mann hast du ja schon verloren. Inzwischen verstehe ich auch weshalb.“
    Der Knall schien ohrenbetäubend. Wie ein Lineal auf einen Tisch klatschte Miriams Hand in sein Gesicht. Reiner Reflex auf diese ungeheuerlichen Worte. Sie starrte ihn aus funkelnden Augen herausfordernd an, aber er starrte nur zurück. Langsam breitete sich ein mildes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ohne ein weiteres Wort verliess er das Haus.
    Miriam blieb alleine zurück. Verunsichert und aufgebracht. Obwohl sie es nicht wollte, dachte sie unentwegt an seine Worte. Sie wehrte sich, aber die Zweifel wuchsen und schliesslich schnappte die Falle zu.
    Und was, wenn es nun stimmte?
    Sie sah nur eine Möglichkeit, das ein für allemal zweifelsfrei herauszufinden. Sie stürmte in ihre Kammer, zog sich den wärmsten Mantel und die festesten Schuhe über und ging anschliessend in die Küche. Gedankenlos packte sie ein paar Lebensmittel ein. Dann trat sie vor die Tür. In die Dunkelheit. Ihr Vorhaben war bei Tageslicht schon beschwerlich und bei Nacht kaum machbar, dennoch war sie entschlossen.
    Ein eisiger Wind pfiff ihr um die Ohren und es roch nach Schnee.
    Unmöglich, es ist noch viel zu früh für Schnee, dachte sie trotzig. Dann stapfte sie los.
    Obwohl es an Selbstmord grenzte.
     
    Er wartete im Schatten verborgen hinter Miriams Stall. Als die Haustür des Hofs zuschlug und Miriam in ihren schwarzen Mantel gehüllt in die Nacht hinaus stürmte, trat er aus seinem Versteck hervor. Sein Besuch bei ihr hatte die gewünschte Wirkung gezeigt. Seine Anschuldigungen gegen Ruben ebenfalls. Sie tat, was er gewollt hatte. Sie stürmte blindlings in die Nacht. Und ihm direkt in die Falle.
     
     

Strang 2 / Kapitel 5
     
    Die letzten Sterne kämpften noch auf aussichtslosem Posten gegen die Morgendämmerung an, als Ruth Reich ihre Augen öffnete. Noch etwas steif vom Schlaf schlug sie die Decke zurück und schob ihre Beine aus dem grossen weichen Bett. Ihre Zehen tasteten durch die Luft, bis sie die weichen Pantoffeln zu spüren bekamen, die immer am selben Ort neben dem Bett standen. Verschlafen erhob sie sich und trottete zu ihrem Stuhl, über dem ihre Arbeitskleidung hing. Eine Hose und ein einfaches Hemd. Ruth Reich hatte schon in ihrer frühsten Jugend begonnen, Männerkleidung zu tragen. Sich mit ihrem Vater über den Kleidungsstil zu streiten war leichter, als täglich in einem langen Rock mitanpacken zu müssen. Ihre langen hellbraunen Haare flocht sie rasch zu einem Zopf. Um den lästigen Strähnen, die sich immer wieder daraus lösten, Herr zu werden, band sie sich ein rotes Halstuch um den Kopf. In gewohnter Manier stieg sie dann die Treppe hinunter und wanderte in die Küche. Von dort ging sie durch die Hintertür zum Brunnen. Der Hof hatte durchaus fliessend Wasser, aber Ruth Reich bevorzugte das eisig kalte Brunnenwasser. Hinter dem Haus war sie um diese Zeit ungestört. Also zog sie

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